Ukrainisches Parlament / Werchowna Rada. Bild: J. Boyer/flickr
MEPs verurteilen neues ukrainisches Zensurgesetz
3. Oktober 2012
Gestern nahm das ukrainische Parlament einen Gesetzesentwurf an, welcher die öffentliche Diskussion über sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität verbietet. Dies erinnert stark an die kürzlichen Entwicklungen in Russland. Das Europäische Parlament hat den Gesetzesentwurf, der Rechtsnormen der UN und der EU verletzt, bereits verurteilt.
Die Werchowna Rada, das Parlament der Ukraine, validierte das Gesetz, welches eine nicht näher erklärte öffentliche "Propaganda" von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transgender-Themen verbietet, in der ersten Lesung.
Das Gesetz würde eine positive Diskussion über LGBT-Themen in den Medien illegal machen. Das Strafmaß sieht unter anderem Bußgelder und mögliche Haftstrafen vor.
Ulrike Lunacek MEP, Kopräsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe des EU-Parlaments für LGBT-Fragen, reagierte: "Die Ukraine ist auf Kollisionskurs mit dem übrigen Europa gegangen. Dieses Gesetz sieht nicht nur rückständig aus; es ist von Grund auf antidemokratisch, wurde rein von Vorurteilen getragen und ignoriert vollständig die rechtlichen Verpflichtungen der Ukraine. Von meinen ukrainischen Kollegen hätte ich mehr erwartet, aber da wir uns dort im Vorfeld der Wahlen befinden, ist es leicht, mit einer Hexenjagd auf die LGBT-Gemeinschaft billige Punkte bei den Wählern zu gewinnen. Wir befinden uns jedoch im 21. Jahrhundert, und in allen unseren Gesellschaften gibt es Vielfalt."
Als Antwort auf eine Frage von GroenLinks im niederländischen Parlament sagte der niederländische Außenminister Uri Rosenthal, dass das gegenseitige Abkommen über die visumfreie Einreise zwischen der EU und der Ukraine auf unbestimmte Zeit ausgesetzt würde, sollte das Gesetz angenommen werden.
Sophia in 't Veld MEP, Vizepräsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe für LGBT-Fragen, fügte hinzu: "Statt sich Europa und seinen Werten anzunähern, macht die Ukraine einen Riesenschritt weg. Kein Land, welches die Redefreiheit beschneidet und die Rechte seiner LGBT-Bürger_innen verletzt, kann erwarten, dass es weiterhin still und leise der Familie der europäischen Nationen angehört. Ich bin wütend, dass sich die Ukraine für einen ungenierten Angriff auf eine verletzliche Minderheit entschieden hat, indem ihnen das Recht auf Redefreiheit verweigert wird, und ich erwarte von der Parlamentarischen Versammlung und dem Ministerkomitee des Europarats, dass sie diesen Schritt streng und unvoreingenommen verurteilen."
Der Gesetzesvorschlag muss im Rahmen einer zweiten Lesung akzeptiert und vom Präsidenten unterzeichnet werden, bevor er Gesetzeskraft erlangt. Die Wahlen in der Ukraine finden am 28. Oktober 2012 statt.
Deutsche Übersetzung von Sandra-Isabell Trautner mit Erlaubnis der LGBT Intergroup des Europäischen Parlaments. Maßgeblich ist stets der englische Text.
ein ganz herzliches Danke für diese Information + Übersetzung!
Die Vorgänge in der Ukraine zeigen wieder mal deutlich, zu welchem Irrsinn manche Systeme fähig sind und wo es gefährlich für uns werden kann!
Zum Glück zeigt die EU hier klare Kante. Ebenso wie der Kurs der derzeitigen US-Regierung doch hoffen läßt. (Hoffentlich ändert sich da nix!) Falls sich dort in Kongress & Senat auch etwas zum Positiven verändert, wäre es toll!- Ach, frau darf ja träumen...
Persönliche, positive Erfahrungen vor Ort geben auch Grund zur Freude: Es sprach sich ziemlich rum, wo ich seit einigen Jahren ohne jedwede Probleme(!) unterrichte. Das überraschte einige Skeptiker und mann interessiert sich nun intensiv dafür...
Liebe Grüße ab
FÜR: Menschenrechte, eine gelebte demokratische Zivilgesellschaft, die Minderheiten schützt ERGO: Umfassende Bildung für alle, effektive Regeln in Alltag und Netz, eine gut ausgestattete Polizei/Justiz
Ja Sandra, das ist sehr Interresant, hat das doch alles eine lange Geschicht. Siehe § 175 Schon vor der Gründung der Bundesrepublik hatte in den westlichen Besatzungszonen kaum ein Zweifel an der Fortgeltung der §§ 175 und 175a in ihrer Fassung von 1935 bestanden. 1949 wurde nun auch offiziell alles bis dahin geltende Recht übernommen, „soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht“ Auf dieser Grundlage kam es zwischen 1950 und 1969 zu mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren und etwa 50.000 rechtskräftigen Verurteilungen. Da Homosexualität verfolgt und bis in die 1970er Jahre als psychische Erkrankung diagnostiziert wurde, konnten Homosexuelle auch auf unbestimmte Zeit freiheitsentziehend in einer forensischen Psychiatrie untergebracht werden
LG Sophie-Louise
Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert. Aldous Huxley