ILGA-Europe veröffentlicht den ersten Jahresbericht über die Menschenrechtssituation von LGBTI-Menschen in Europa
15. Mai 2012
Heute hat ILGA-Europe seinen ersten Jahresbericht über die Menschenrechtssituation von LGBTI-Menschen in Europa 2011 veröffentlicht, außerdem eine aktualisierte Version der Rainbow Map.
Diese Veröffentlichungen werden der Öffentlichkeit bei einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie in Gegenwart von Cecilia Malström, der EU-Kommissarin für Inneres, UN-Vertretern, Organisationen der Zivilgesellschaft und LGBTI-Aktivisten aus Osteuropa vorgestellt.
Jahresbericht und Rainbow Map zeichnen ein Gesamtbild der aktuellen Lage der Menschenrechte von LGBTI-Menschen in Europa.
Aus rechtlicher Perspektive zeigt ILGA-Europes Rainbow Map, dass kein europäischer Staat behaupten kann, LGBTI-Menschen volle rechtliche Gleichstellung zu bieten. Die fünf am höchsten bewerteten Länder (von insgesamt 30 erreichbaren Punkten) sind: - Großbritannien (21 Punkte) - Deutschland und Spanien (20 Punkte) - Schweden (18 Punkte) - Belgien (17 Punkte)
Zehn Länder sind im Minusbereich und erfüllen die Grundanforderungen der Menschenrechtsnormen nicht: - Moldawien und Russland (-4,5 Punkte) - Armenien, Aserbaidschan, Mazedonien und die Ukraine (-4 Punkte) - Monaco, San Marino und die Türkei (-3 Punkte) - Liechtenstein und Weißrussland (-1 Punkt)
Es bleibt eine einfache Tatsache: Im Durchschnitt bleibt das Ausmaß rechtlicher Gleichstellung in den meisten Ländern sehr niedrig.
Der Jahresbericht ergänzt diese Information und bietet Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, welche zum Fortschritt der rechtlichen und sozialen Anerkennung der Rechte in der ganzen Region beitragen.
Positiv ist, dass 2011 auf internationaler und europäischer Ebene hinsichtlich der Anerkennung von Asylfällen aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität sowie auf dem Gebiet des Schutzes vor Gewalt große Fortschritte erzielt wurden. Mehrere Staaten bemühten sich um Ausweitung der rechtlichen Anerkennung und Gleichberechtigung von Regenbogenfamilien; und es gibt einige Gesetzesvorschläge betreffs der Einführung humaner Gesetze, was die Änderung des rechtlichen Namens und Geschlechts von Transmenschen angeht.
Negativ ist, dass es in einigen Ländern entweder keinerlei Fortschritt oder, schlimmer noch, Schritte hin zur Annahme von Gesetzen, welche die "Propaganda von Homosexualität" unter Strafe stellen, gibt.
Evelyne Paradis, geschäftsführende Direktorin von ILGA-Europe, sagte: "ILGA-Europe freut sich, ein neues Werkzeug vorzustellen, welches einen umfassenden Menschenrechtsbericht über die Situation von LGBTI-Menschen in allen 49 europäischen Staaten bietet. Unsere Rainbow Map hat sich bezüglich der Rechtslage bereits als sehr nützliches und beliebtes Werkzeug erwiesen. Der Jahresbericht geht einen Schritt weiter und wirft einen Blick auf den gesellschaftlichen und politischen Kontext, der die Lebenserfahrung von LGBTI-Menschen beeinflusst. Formelle Gleichstellung ist nur ein Schritt hin zu vollständiger gesellschaftlicher Eingliederung. Und selbst hier sehen wir in Europa große Unterschiede und breite Lücken - kein Land kann sich der vollen rechtlichen Gleichstellung oder der vollen gesellschaftlichen Gleichbehandlung rühmen. Deshalb hoffen wir, unser Jahresbericht bietet eine gute Grundlage für den Austausch von besten Praktiken und fördert den Dialog zwischen den Ländern und der LGBTI-Zivilgesellschaft."
Jahresbericht der Menschenrechtssituation von LGBTI-Menschen in Europa
Diese jährlich erscheinende Publikation dokumentiert für LGBTI-Menschen relevante legislative, politische und gesellschaftliche Entwicklungen in jedem Staat Europas sowie auf internationaler (Vereinte Nationen) und europäischer Ebene (Europarat, EU und die OSZE). Ziel ist, die globale Dokumentation der Menschenrechtssituation aus LGBTI-Perspektive auf jährlicher Grundlage zu ergänzen.
Während die 2011er Ausgabe des Jahresberichts verschiedene Fälle von Gewalt, Hass und Diskriminierung von LGBTI-Menschen (zuweilen durch die Hand des Staates) erwähnt, zielt das Dokument nicht darauf ab, Schuld zu verteilen oder mit dem Finger auf einzelne Länder zu zeigen. Statt dessen dient die Publikation als Werkzeug für den Austausch bester Praktiken und Regelungen sowie als offene Einladung für eine bessere Zusammenarbeit von Regierungen und der LGBTI-Zivilgesellschaft.
Rainbow Map von ILGA-Europe
Die Rainbow Map von ILGA-Europe spiegelt die nationale rechtliche Menschenrechtssituation von LGBTI-Menschen in einem einfachen Format. Sie stuft alle europäischen Länder gemäß ihrer Gesetzgebung und Verwaltungspraktiken ein, welche unmittelbare Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation von LGBTI-Menschen haben.
Weder repräsentiert dieses Projekt einzelne Länder noch stuft es sie nach gesellschaftlichen Haltungen ein. Zwar ist dies ein wichtiger Indikator, und viele öffentliche Meinungsumfragen werden in verschiedenen Ländern durchgeführt, aber es bleibt im Augenblick unmöglich, vergleichbare Daten in allen 49 Ländern Europas zusammenzutragen und glaubhafte Schlüsse zu ziehen.
Die Rainbow Map sortiert die Gesetze und Verwaltungspraktiken jedes europäischen Staats in 42 Kategorien und bewertet sie nach einer Skala von 30 (höchster Wert: Achtung von Menschenrechten und volle rechtliche Gleichstellung von LGBT-Menschen) und -12 (niedrigster Wert: grobe Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung von LGBT-Menschen).
Die 42 Kategorien decken ein breites Spektrum von Gesetzgebung und Verwaltungspraktiken ab, und zwar auf folgenden Gebieten: - Asyl (ausdrückliche Erwähnung von sexueller Orientierung als rechtmäßiger Asylgrund) - Gleichstellung und Nichtdiskriminierung (ausdrückliche Erwähnung von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und Intersexmenschen) - vorurteilsmotivierte Äußerungen/Verbrechen (ausdrückliche Erwähnung von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und Intersexmenschen in der mit Hassreden/Hassverbrechen befassten Gesetzgebung) - Familie (verschiedene Formen der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, die Berechtigung, Kinder zu haben, und die Möglichkeit für Transmenschen, legal eine Person des anderen Geschlechts zu heiraten) - Versammlungs-, Vereinigungs- und Redefreiheit (Verhinderung/keine Verhinderung der Staaten bezüglich der Inanspruchnahme dieser Freiheiten, neue Gesetze zum Verbot "homosexueller Propaganda") - rechtliche Anerkennung des Geschlechts (Vorhandensein von Prozeduren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts und einige diskriminierende Voraussetzungen)
Die Werte überraschen mich ein wenig. Die schlechte Situation in Russland und angrenzenden Staaten ist ja allgemein bekannt. Aber dass es quasi einen sich durch Europa ziehenden Streifen gibt, der sehr geringe Werte ausweist und bei Liechtenstein, Monaco und San Marino sogar mit negative Zahlen aufwartet, habe ich nun nicht erwartet.
Aber die Punkte für Deutschland und auch ein paar andere Staaten sehe ich teilweise für schön geredet. Denn zum Beispiel finde ich es nicht korrekt, dass die Möglichkeit einer eingetragenen Lebensgemeinschaft für Homo-Partnerschaften genauso einen Punkt bekommt wie die absolute Gleichstellung dieser Partnerschaften mit der Ehe, bei der dadurch die Möglichkeit einer anderweitig rechtlichen Gleichstellung überflüssig und rechtlich nicht verankert ist. Und bei anderen Staaten noch schlimmer, die nur für das Gestatten des zusammen Wohnens von Homosexuellen einen genauso wertvollen Punkt bekommen. Also hier hätte gewaltig unterschieden werden müssen.
Nun, einmal abwarten, wie die einzelnen Länder sich in nächster Zeit entwickeln. Besonders bei Polen erwarte ich eine gewaltige Punktesteigerung. aber nicht aufgrund des jetzt veröffentlichen Rainbow Indexes, sondern weil nun eine Transidente maßgeblich in der Politik mitwirkt. So eine bräuchten wir auch in der Politik (in einer der beiden großen Parteien).
Gruß Kira-Bianca
Als der Mensch allen Dingen ein Geschlecht gab, meinte er nicht zu spielen, sondern eine tiefe Einsicht gewonnen zu haben. Den ungeheuren Umfang dieses Irrtums hat er sich sehr spät und jetzt vielleicht noch nicht ganz eingestanden.
Friedrich Wilhelm Nietzsche, Morgenröthe - Kapitel 2