Pressemitteilung der LGBT Intergroup des Europäischen Parlaments:
Ungarn
Ungarn: zunehmend feindliches Klima gegenüber LGBT-Menschen
13. April 2012
Rechtsextreme ungarische Parlamentarier haben Anträge über ein Verbot öffentlicher Diskussionen über Homosexualität eingebracht. Die Entwicklung erinnert an Russland. Parallel hierzu hat die Budapester Polizei den Antrag abgelehnt, die alljährliche LGBT-Pride-Parade im Juli 2012 abhalten zu dürfen.
Ein Mitglied der rechtsextremen Partei Jobbik, die 47 der 386 Sitze im ungarischen Parlament hält, brachte drei Gesetzesanträge zum Verbot der positiven Darstellung von "krankhaftem sexuellem Verhalten - insbesondere sexuelle Beziehungen zwischen Angehörigen desselben Geschlechts" ein.
Zwei dieser Gesetzesanträge sind Änderungen des Grundgesetzes, die öffentliche Reden und Veranstaltungen verbieten sollen, die "verbreiten", was Extremisten als "krankhaft" betrachten. Der dritte Gesetzesantrag ändert Gesetze über Werbung, Medien und Fehlverhalten sowie das Strafgesetz, um solche "Verbreitung" zu bestrafen.
Die Anträge sehen Strafen von bis zu 150.000 Forint (505 Euro) und bis zu drei Jahren Gefängnis (in manchen Fällen acht) vor.
Eine verwandte Entwicklung: Letzte Woche hat die Budapester Polizei die Erlaubnis für die alljährliche LGBT-Pride-Parade verweigert. Wie auch schon 2011 wurde der Vorwand vorgebracht, man könne den Verkehr nicht umleiten - ein Vorwand, der für andere Paraden entlang derselben Route nicht vorgebracht wurde. Das letztjährige Verbot wurde recht schnell vom Hauptstädtischen Gericht aufgehoben.
Ulrike Lunacek MEP, Co-Präsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe für LGBT-Fragen, erklärte: "Diese wiederholten Versuche, die Parade zu verbieten, behindern die Versammlungsfreiheit! Die Polizei kann reden, so viel sie will, das Hauptstädtische Gericht hat die Parade unter ungarischen Standards bereits für rechtmäßig erklärt. Es ist schändlich für konservative Kräfte, einen solchen Krieg gegen eine Veranstaltung anzuzetteln, mit der die meisten Ungarn kein Problem haben - insbesondere zu einer Zeit, zu der wirklich schlimme Themen wie die immer größer werdende Armut im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen sollten."
Sophia in 't Veld MEP, Vizepräsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe für LGBT-Fragen, fügte hinzu: "Das Verbot der Parade im zweiten Jahr in Folge ist eine traurige Entwicklung in einem Land, welches sich durch sein freiheitliches und tolerantes Klima auszuzeichnen pflegte. Das Verbot ist ein schändlicher Versuch, LGBT-Menschen ihre Menschenrechte zu verweigern, und stellt außerdem eine unsinnige Provokation der EU dar. Die ungarische Regierung sollte nicht weiter zu diesem Klima der Homophobie beitragen, welches Parteien wie Jobbik gerade für sich ausnutzen, sondern sie sollte zu einem Vorreiter für LGBT-Rechte werden und ihren Ruf einer freien, toleranten, modernen Nation wiederherstellen."
Deutsche Übersetzung von Sandra-Isabell Trautner mit Erlaubnis der Intergroup on LGBT Rights des Europäischen Parlaments. Maßgeblich ist stets der englische Text.
Dir, Sandra, erst einmal wieder Danke für die ausführliche Berichterstattung bzw. Übersetzung.
Was sich in Ungarn entwickelt, ist wirklich nicht gerade gut. Aber ich glaube nicht, das die rechtsextreme Partei mit ihren 47 der 368 Parlamentssitze großartig punkten kann. Dass rechtsextreme Idioten gegen alles und jeden sind, was nicht der Norm entspricht, der von ihnen gesetzten Norm, ist doch üblich. Aber die werden vermutlich in Ungarn genauso ausgegrenzt, wie sie es hier in Deutschland werden. Da sehe ich in Europa andere Staaten, wo der rechtsextreme Einfluss wirklich nicht ungeachtet bleiben darf und eine Gefahr nicht nur für uns LGBTlerInnen darstellt.
Und was das nun schon zum zweiten Mal rechtswidrige Verbot der Parade betrifft, ist es in einem demokratischen System üblich, in so einem Fall Druck von oben auszuüben und ggf. sogar die eine oder andere Position neu zu besetzen. Ungarn ist seit 1989 demokratisch, womit also abzuwarten bleibt, was dort jetzt passiert.
Wichtig ist, dass die ungarische Bevölkerung uns nicht diskriminiert. Und in dieser Richtung sehe ich anhand Deiner Berichte keine Gefahr.
Gruß Kira-Bianca
Als der Mensch allen Dingen ein Geschlecht gab, meinte er nicht zu spielen, sondern eine tiefe Einsicht gewonnen zu haben. Den ungeheuren Umfang dieses Irrtums hat er sich sehr spät und jetzt vielleicht noch nicht ganz eingestanden.
Friedrich Wilhelm Nietzsche, Morgenröthe - Kapitel 2