Pressemitteilung der LGBT Intergroup des Europäischen Parlaments:
LGBT-Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte
MEPs begrüßen neue europäische LGBT-Umfrage
4. April 2012
Am Montag, den 2. April startete die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte eine umfangreiche Umfrage zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transgendermenschen in der Europäischen Union und in Kroatien. Mitglieder des EU-Parlaments begrüßten die Initiative.
Mit dieser neuen Umfrage sammelt die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vergleichsfähige Daten über die Erfahrungen von LGBT-Menschen in der ganzen EU sowie im zukünftigen Mitgliedsstaat Kroatien.
Seit 2007 haben Mitglieder des EU-Parlaments die Agentur aufgefordert, Forschungen und Analysen über die Grundrechte von LGBT-Menschen in der EU bereitzustellen. Die in Wien ansässige Agentur hat 2008 erstmals Analysen über die gesellschaftliche und rechtliche Situation von LGBT-Menschen veröffentlicht und diese Daten 2010 auf den neuesten Stand gebracht.
Diese neue Umfrage wird Mitgliedern des EU-Parlaments vergleichsfähige Daten auf den Gebieten Diskriminierung, Hassverbrechen und Rechtsschutz bieten. Diese Informationen sind wichtig, um sachkundige rechtliche und politische Entscheidungen auf vielen Gebieten einschließlich Bürgerrechte, innerstaatliche Angelegenheiten und Beschäftigungspolitik zu treffen, allesamt Kompetenzthemen der Europäischen Union.
Die Daten werden in der Zukunft auch zwei anderen Schlüsselinstitutionen der EU helfen, nämlich der EU-Kommission und dem Europarat, um sachbezogene Gesetzesvorschläge einzubringen.
Michael Cashman MEP, Co-Präsident der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments für LGBT-Fragen, gratulierte der Agentur zu diesem konstruktiven Schritt: "Die Agentur für Grundrechte hat im Bereich der Grundrechte und der Nichtdiskriminierung schon immer maßgebliche Arbeit geleistet, und ich freue mich, dass sie dieses wichtige Projekt ins Leben gerufen haben. Die Umfrage wird uns die Augen öffnen, ebenso die der Kommission und der Staatsregierungen, was die wahre Situation von LGBT-Menschen in der heutigen EU betrifft."
Ulrike Lunacek MEP, Co-Präsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe für LGBT-Fragen, stimmte zu: "Die Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transgendermenschen wird in politischen Debatten kaum jemals akkurat wiedergegeben. Ich hoffe, diese Forschung bringt die konkreten Herausforderungen ans Licht, denen LGBT-Menschen noch immer gegenüberstehen, einschließlich ihrer Ängste und der Bedrohungen, denen sie in einigen Bereichen unserer Gesellschaft ausgesetzt sind."
Die Umfrageergebnisse liegen voraussichtlich im zweiten Quartal 2013 vor.
Deutsche Übersetzung von Sandra-Isabell Trautner mit Erlaubnis der Intergroup on LGBT Rights des Europäischen Parlaments. Maßgeblich ist stets der englische Text.
Kurz noch Grundsätzliches zur Umfrage. Kim, ich skizziere hier kurz, was Silvan dazu sagte.
Die Umfrage hat trotz der Beratungsleistung von ILGA-Europe und TGEU ihre Mängel, da die vielen Facetten von Trans* leider vom Umfrageinitiator (Agentur für Grundrechte, FRA) etwas zurückgestellt wurden. In der Umfrage ist man als Transmensch gezwungen, "Transgender" auszuwählen, und erst auf dem Schirm direkt danach kann man das dann differenzieren.
Dort steht dann aber leider "transsexuell", ein Begriff, der mir persönlich überhaupt nicht schmeckt.
So muss wohl jede/r in den sauren Apfel beißen, um die eigene Stimme, die eigene Meinung, die eigene Situation beizusteuern.
Hier geht es jedoch um wesentlichere Dinge als "nur" um Begriffe; diesbezüglich können wir uns nochmals gesondert an die FRA wenden. Viel wesentlicher ist, dass wir unsere Stimme erheben und dabei sind, denn solche Umfragen sind herzlich selten, und wir können hier einfach mal alle mitreden. Hier steht nicht die "vollkommene" Umfrage im Vordergrund, die sämtliche Möglichkeiten und Begriffe abdeckt und somit alle glücklich macht, sondern im Vordergrund steht der eigene aktive Beitrag zu künftigen EU-Regelungen und verbesserten LGBT-Rechten durch Schilderung der eigenen Lebenssituation. Der Gewinn ist größer als das Opfer, das wir hier bringen, nämlich das Inkaufnehmen bestimmter Begriffe... Die Kompetenzen der EU in Bezug auf Trans* nehmen beständig zu, und auch die FRA ist lernfähig und wird nicht ewig bei gewissen Begrifflichkeiten stehenbleiben, und ILGA-Europe, TGEU und Aktivisten werden ihr Übriges tun, die Situation zu verbessern. Die Umfrage jetzt "nur" wegen dem Wort Transgender zu boykottieren wäre allerdings nicht unbedingt produktiv. Am Ende der Umfrage ist ein Kästchen, in das ihr alles schreiben könnt, was euch auf dem Herzen liegt -- produktiv wäre, die FRA dort auf die mangelnde Differenzierung hinzuweisen.
Hoffen wir, dass sich durch die Umfrage in Sachen LGBT-Rechte auch wirklich konkret etwas tut. Die Ergebnisse werden im zweiten Quartal 2013 vorliegen.
Zitat von Sandra-IsabellDie Umfrage jetzt "nur" wegen dem Wort Transgender zu boykottieren wäre allerdings nicht unbedingt produktiv.
Auch wenn Du es nicht glauben magst, gibt es Leute, die wegen der Art und Weise der Weltsicht, die sich dann in der Art der Fragen und "gekrönt" von dem Wort "transgender" zeigt, die Umfrage boykottieren. Ich persönlich finde Fragen wie "fühlen sie sich männlich/weiblich" ziemlich klischeebeladen und frage mich: Was hat das mit geschlechtlichen Normabweichungen zu tun, wie ich mich fühle? Ich fühle mich übrigens nicht "weiblich" und nicht "männlich", da ich gar nicht wissen kann, wie das ist, sich "weiblich" oder "männlich" zu "fühlen". Leider ist es so, das die Art und Weise der Fragestellung impliziert, dass die Fragesteller eine Weltsicht haben, in der es mehr um Geschlechtsrollen geht - eine Sichtweise die ich z.B. als stereotyp erachte, Menschen auf Grund ihres Verhaltens und ihrer Rollen in Geschlechter zu unterteilen und dabei gleichzeitig von angeblichen biologischen Adams und Evas auszugehen, die sich irgendwie anders wie ihr behauptetes "biologisches Geburtsgeschlecht" fühlen sollen - anstatt um die Anerkennung von in der Natur vorkommenden wie-auch-immer-geschlechtlichen Personen.
Das diese Kritik an einer pseudo-biologistischen Weltsicht, die manche transgender-Menschen aus meiner Sicht (und so ganz alleine bin ich da nicht - zumindest habe ich eine Mail von FRA bekommen, in welcher der Vize von FRA mit mitteilte, dass es da einige Beschwerden dazu gegeben hat, die eine ähnliche Kritik beinhaltet haben) haben mögen, totgeschwiegen oder übergangen werden soll, finde ich ein Unding und zeigt mir, dass es viele Menschen gibt, die diese Kritik ungehört und die Menschen die sie äussern, mundtot machen wollen.
Und genau DESWEGEN, und nicht wegen eines Begriffes - sondern dem, was damit verknüpft ist - sehe ich es nicht ein, die Umfrage damit zu verfälschen, dass ich als Teilnehmerin an einer Studie mich selbst zum Lügen zwinge und mich einem stereotypen Weltbild unterordne, indem transsexuelle Menschen immer noch als "biologisch eindeutig" aber so oder so "fühlend" fremdbestimmt werden. Das geht eben einfach nicht - da ich eben die Leute, denen ich ihr Geschlecht einfach abnehme (und nicht als Rollenwünsche ansehe), tatsächlich für existent erachte. Die Aberkennung der Existent dieser Menschen wäre Fremdbestimmung und Diskriminierung. Und an so etwas beteilige ich mich nicht.