Bericht über den Regenbogenempfang im Lübecker Ratshaus, zu dem Bündnis 90/Die Grünen zum 30. März 2012 eingeladen hatten
Schon vorweg das Fazit, dass sich die Fahrt für mich nach Lübeck absolut nicht gelohnt hat. Die sechs Stunden, inkl. Fahr- und 50 Minuten Wartezeit auf die Regionalbahn zurück (wo diese Bahnen alle 60 Minuten fahren, also seit gerade 10 Minuten eine weg war *grrr*), hätte ich Kaffee trinkend mit irgendeinem blöden Spiel am Computer nicht viel weniger sinnlos vertun können.
Der für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellte Podiumssaal im Lübecker Ratshaus war mit ungefähr 200 bis 220 Stühlen versehen. Ich war eine der Ersten, ich glaube sogar, die Erste, die nach Aufforderung diesen Raum betrat und dachte so bei mir, das wären viel zu viele Sitze für eine solche Veranstaltung in einer Kleinstadt. Doch bei dieser Annahme sollte ich mich irren, denn zu diesem Empfang kamen tatsächlich etwa 150 Leute, vielleicht sogar noch ein paar mehr. Jedoch war ganz offensichtlich, dass sehr wenig Gäste darunter und fast alle Anwesenden Mitglieder der Partei waren. Denn die Leute kannten sich großteils und es wurde vielfach und vielerorts sehr herzlich begrüßt.
Um 19 Uhr 20 ging es dann endlich los und die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Schleswig-Holstein, Eka von Kalben, begrüßte uns TeilnehmerInnen mit einer etwa zweiminütigen Rede. Warum erst so spät und nicht wie geplant um 19 Uhr, wird mir vermutlich ewig ein Rätsel bleiben. Denn sowohl RednerInnen wie auch Publikum waren pünktlich zur vollen Stunde vollzählig anwesend. Aber egal, vielleicht hat man gehofft, es kämen eventuell noch ein paar mehr Gäste?
Nach dieser ersten Begrüßung kam Frau Dr. Marret Bohn ans Mikrophon. Sie ist Abgeordneten im SH-Landesparlament und Sozialpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen und war in der Einladung als ein Hauptrednerin genannt. Aber ihre ganze Rede bestand nur darin, uns ähnlich wie zuvor schon die Landesvorsitzende zu dieser Veranstaltung zu begrüßen; nur dass ihre Begrüßung mit etwa fünf Minuten etwas länger war als die ihrer Vorrednerin.
Dann wurden Podiumsplatz und Mikrophon Volker Beck überlassen, dem Bundestagsabgeordneten und Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer und Menschenrechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Er war in der Einladung neben eben Frau Bohn als zweiter Hauptredner genannt und hat sich tatsächlich auch über die Politik vom Bündnis 90/Die Grünen in Sachen LGBT ausgelassen. Volle 40 Minuten sprach er über die bisherigen Erfolge, die diese Partei dabei erreicht hat und wie die anderen Parteien des Bundestages eine wirkliche Gleichstellung dieser Gruppen verhindern. Aber während seiner ganzen Rede hat er nicht einen einzigen konkreten Punkt gebracht, was Bündnis 90/Die Grünen für die Zukunft in dieser Richtung beabsichtigen.
Dann war die Veranstaltung zu Ende! (Zumindest, was den offiziellen Teil betraf.) Denn die abschließende Frage der Landesvorsitzenden, ob von Seiten von uns Zuhörern und Zuhörerinnen noch Erörterungswünsche zu dem eben Gehörten vorhanden sind, wurde mit einvernehmlicher und deutlicher Stille beantwortet. Was sollte es aber auch noch an Erörterungsbedarf geben? Die bisherigen Erfolge zum Thema LGBT wurden in den Ausführungen von Herrn Beck mehr als ausreichend hervorgehoben und anderes gab es nicht.
Im Eingangsbereich des Rathauses war schon vor Veranstaltungsbeginn ein Bereich mit Suppentopf und Getränken sowie Stehtischen aufgebaut. Hierhin wurden wir nun von der Landesvorsitzenden eingeladen, damit wir in kleinen Runden noch ein wenig weiter diskutieren könnten. Diese „Diskussionen“ in kleiner Runde im Anschluss beschränkten sich aber auf Themen wie „Wie war die oder die Parteiversammlung?“, „Kommst Du auch zu der oder der (Partei-)Versammlung?“ oder einfach nur „Wie war dein Angelausflug letzten Sonntag?“ Wie ich am Anfang ja schon schrieb, kannten sich die Meisten sehr gut oder sogar privat. Da war es auch mir als völlig Fremde nicht möglich, eine kleine Diskussionsrunde mit dem eigentlichen Thema das Abends zu gewinnen. So habe ich um 20 Uhr 50 das Lübecker Ratshaus verlassen und bei mir gedacht: „Das hättest du dir auch echt sparen können!“
Aber die frische Gemüsesuppe, von der ich mir sogar ein zweites Mal geholt habe, war echt lecker. (<- wer die Bedeutung von Mr. Green nicht kennt, der Typ steht für Sarkasmus und Ironie.)
Als der Mensch allen Dingen ein Geschlecht gab, meinte er nicht zu spielen, sondern eine tiefe Einsicht gewonnen zu haben. Den ungeheuren Umfang dieses Irrtums hat er sich sehr spät und jetzt vielleicht noch nicht ganz eingestanden.
Friedrich Wilhelm Nietzsche, Morgenröthe - Kapitel 2
Herzlichen Dank, liebe Kira-Bianca, für deinen persönlichen Einsatz und all deine Mühen, diese Veranstaltung zu besuchen!
Du hast recht, das Geschilderte ist enttäuschend. Es ist "zuwenig". Volker Beck liegt das Thema LGBT am Herzen, er kämpft da richtig vehement dafür. Er muss sich deswegen von der nicht mit LGBT befassten deutschen Bevölkerung daher auch sehr viel Unverschämtes anhören. Was Frau Bohn betrifft, so kannte ich sie bislang noch gar nicht und muss ihre Beziehung zu LGBT erst noch ergründen.
Die auf die Frage folgende Stille hätte man aber gut mit Fragen über die Zukunft ausfüllen können, auf die Beck ja nicht eingegangen ist. Das wäre zwar kein "Erörterungswunsch des soeben Gehörten" gewesen, aber man braucht das ja nicht immer wörtlich zu nehmen
Schade, schade, dass alles so dürftig war... Aber wie gesagt prima und danke, dass du da gewesen bist!
genau das mit dem Ansprechen der Zukunftsvorhaben in Sachen LGBT von Bündnis 90/Die Grünen hatte ich kurz überlegt. Doch fand ich es letztlich für nicht angebracht, weil die ganze Rede von Volker Beck ziemlich nur darauf ausgelegt war, die Erfolge der Vergangenheit zu nennen (und was die Partei doch für eine super Regenbogenpartei wäre).
Es gab eigentlich nur zwei konkrete Punkte, wo Herrn Beck zukunftsorientierte Dinge der Partei ansprach. Da war zum Einen die gesetzliche Unterscheidung zwischen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und Ehen. Dort wollen sie die Streichung der Paragraphen , welche die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften hervorheben, und eine hundertprozentige Gleichstellung dieser Gemeinschaften mit der Ehe erreichen. Außerdem wollen sie eine Erweiterung und Einbeziehung der sexuellen Orientierung in den Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes. Diese beiden Dinge wurden aber nur sehr beiläufig und kurz von Herrn Beck in seiner sonst sehr mit Lobesworten für die Partei lastigen Ausführung erwähnt. Die zweite von ihm angesprochene, zukunftsweisende Sache waren die Renten für BeamtInnen in Baden-Württemberg, wo die Partei sich für eine Anrechnung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ab dem Jahr 1981 einsetzt, zurzeit aber noch eine Regelung mit Anrechnung ab 1989 gilt. Diese drei Themen zusammen nahmen aber nur so etwa fünf Minuten seiner gesamten Rede ein, wobei die Renten der BeamteInnen in BW noch weit über die Hälfte dieser Zeit in Anspruch nahmen.
Wenn ich da nun mit der Frage gekommen wäre, was sich Bündnis 90/Die Grünen nun außer diesen sehr kurz angerissenen Themen für die Zukunft vorgenommen haben, hätte ich riskiert, dass eine Aussage in Art von "Ööh ... ups, wissen wir auch nicht" gekommen wäre. Und da es fast ausschließlich Parteimitglieder oder AnhängerInnen der Partei waren, hätte ich mich damit zur Buhfrau der Veranstaltung gemacht und im weiteren Verlauf mit Sicherheit kein Gespräch mit den anderen EmpfangsteilnehmerInnen führen können. Außerdem muss ich zugeben, dass meine Vorbereitung für diesen Empfang äußerst schlecht war und ich mir vorab keine konkreten Fragen notiert hatte.
Schade auch, dass ich mit der Bahn nach Lübeck fahren musste und nicht mit einem eigenen PKW. Denn Volker Beck suchte eine Mitfahrgelegenheit nach Hamburg (ich wurde von der Landesvorsitzenden darauf angesprochen, als ich das Rathaus verlassen wollte). Während einer ca. einstündigen Fahrt im Auto hätte sich sicherlich eine sehr interessantes und informatives Gespräch zwischen uns ergeben. Denn obwohl in der Einladung zu dem Empfang nur auf Lesben und Schwule eingegangen wurde und ich auch die einzige Trans*frau dort war (oder möglicherweise andere anwesenden Trans* hatten ein solch gutes Passing, dass sie nicht als solche erkennbar waren), hat Volker Beck sehr bewusst in seiner Rede den Trans*bereich niemals ausgegrenzt und mich auch sehr häufig vom Rednerpult aus angeguckt. Nun ja, da als Erste in den Saal gekommen, hatte ich ja die freie Sitzwahl und habe mich natürlich strategisch auffallend, aber nicht zu aufdringlich in die zweite Reihe, einen Sitz neben dem Mittelgang schräg zum Podium gesetzt.
Gruß Kira-Bianca
P.S.
Zitat von Sandra-IsabellWas Frau Bohn betrifft, so kannte ich sie bislang noch gar nicht und muss ihre Beziehung zu LGBT erst noch ergründen.
Ich glaube, sie hat zu LGBT überhaupt keine richtige Beziehung und war nur dort, weil man außer der Landesvorsitzenden noch eine weitere Person aus Schleswig-Holstein präsentieren wollte.
Als der Mensch allen Dingen ein Geschlecht gab, meinte er nicht zu spielen, sondern eine tiefe Einsicht gewonnen zu haben. Den ungeheuren Umfang dieses Irrtums hat er sich sehr spät und jetzt vielleicht noch nicht ganz eingestanden.
Friedrich Wilhelm Nietzsche, Morgenröthe - Kapitel 2
Die Grünen in Schleswig-Holstein befinden sich (ebenso wie die anderen Parteien) in der heißen Phase des Landtagswahlkampfs. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass solche Veranstaltungen inszeniert werden, um die Erfolge im jeweiligen Politikfeld herauszustreichen. Dass sich Volker Beck engagiert für die Rechte von Schwulen einsetzt, ist unbestritten. Aber ich habe den Eindruck, dass er Transmenschen nur aus political correctness erwähnt. Kürzlich habe ich ein langes Telefongespräch mit Becks Referenten für Antidiskiriminierungs- und Gesellschaftspolitik geführt, zu dessem Aufgabenbereich auch LGBT-Relevantes gehört. Ich war geradezu erschreckt darüber, wie wenig der Referent über das Thema TS wusste. Als ich ihm einige Vorschläge für Anträge und Initiativen unterbreitete, meinte er, solche Vorstöße seien ziemlich sinnlos, da sich sowieso kaum jemand für das Thema TS interessiere. Er hatte dann noch einige grundsätzliche Fragen, und ich dachte: O Mann, der hat sich wohl noch nie mit dem TS ernsthaft auseinandergesetzt.
da habe ich bei der Rede von Volker Beck aber ganz anderen Eindruck gewonnen. Als Bundestagsabgeordneter und politischer Sprecher für alles mögliche hat er natürlich sehr viel Übung, was Reden betrifft. Aber er verwendete die Begriffe Schwule und Lesben oder eine Umschreibung derer sehr häufig während seiner 40-minütigen Rede. Und mir ist nicht ein einziges Mal aufgefallen, dass er dabei Trans* nicht mit nannte. Also wird das in seiner Vorlage für die Rede auch entsprechend vorbereitet gewesen sein. Denn Herr Beck wird wohl kaum schnell jede Nennung von Schwulen und Lesben in seinem Skript um ein "und Trans*" erweitert haben, als er mich als Besucherin der Veranstaltung gewahr wurde.
Vielleicht wäre es angebracht, wenn Du Volker Beck persönlich über Deinen Eindruck seines Referenten betreffend mitteilst. Eventuell weiß er gar nicht, was für eine Flitzpiepe er da engagiert hat bzw. für ihn engagiert wurde. Aber wenn es ihm nie jemand steckt, wird er es wohl nur durch Zufall erfahren können.
Der Wahlkampf in S-H ist mir natürlich auch bekannt. Aber ich finde, man hätte die Einladung zu diesem Regenbogenempfang ganz anders verfassen müssen, wenn man, wie geschehen, diesen als reine Wahlkampfveranstaltung ausrichtet. Da wäre ich dann nämlich gleich in Hamburg geblieben; blöde Wahlpropaganda besuche ich nicht einmal, wenn sie bei mir vor der Haustür stattfindet.
Gruß Kira-Bianca
Als der Mensch allen Dingen ein Geschlecht gab, meinte er nicht zu spielen, sondern eine tiefe Einsicht gewonnen zu haben. Den ungeheuren Umfang dieses Irrtums hat er sich sehr spät und jetzt vielleicht noch nicht ganz eingestanden.
Friedrich Wilhelm Nietzsche, Morgenröthe - Kapitel 2
Zitat von Kira-Bianca Als Bundestagsabgeordneter und politischer Sprecher für alles mögliche hat er natürlich sehr viel Übung, was Reden betrifft. Aber er verwendete die Begriffe Schwule und Lesben oder eine Umschreibung derer sehr häufig während seiner 40-minütigen Rede. Und mir ist nicht ein einziges Mal aufgefallen, dass er dabei Trans* nicht mit nannte. Also wird das in seiner Vorlage für die Rede auch entsprechend vorbereitet gewesen sein. Denn Herr Beck wird wohl kaum schnell jede Nennung von Schwulen und Lesben in seinem Skript um ein "und Trans*" erweitert haben, als er mich als Besucherin der Veranstaltung gewahr wurde.
Hallo Kira-Bianca, da hast Du mich wohl falsch verstanden. Ich habe nicht behauptet, dass Beck Dir zuliebe Transmenschen nachträglich in seine Rede eingebaut hat. Ich habe vielmehr vermutet, dass Transmenschen nur aus political Correctness erwähnt werden und möglicherweise wenig Substanz und Wissen dahintersteckt. Den Referenten anzugreifen, halte ich auch nicht für richtig, denn Beck und seine Mitarbeiter verstehen sich selbst als Team. Liebe Grüße Inka