Am 07. März 2012 hielten die Vereinten Nationen eine historische Podiumsdiskussion ab: Erstmals in ihrer gesamten Geschichte sprachen sie in solch offiziellem Rahmen über sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Der Bann ist gebrochen, der Meilenstein geschafft... jetzt geht's weiter in die Zukunft.
Wie erwartet wurde es ein gewisser Tumult.
Ich schreibe noch einen ausführlichen Bericht. Dieser Beitrag dient als Platzhalter. Trotzdem können gerne schon Antworten und Kommentare geschrieben werden. Aktuell stelle ich leider fest, dass ich ernsthaft erschöpft bin (ich habe die letzten zwei Tage kaum geschlafen und war fast nur unterwegs [und habe die Tage und Wochen davor mit intensiven Vorbereitungen verbracht]) und erstmal Schlaf nachholen muss, da ich mich kaum noch konzentrieren kann und keinen so ausführlichen Bericht mehr fertiggestellt krieg. Als Einstimmung aber schon mal ein Bild für euch (falls ihr mich nicht erkennt --> ich hab seit neuestem braune Haare) und viele liebe Grüße! Ich kümmere mich jetzt noch um die Newsecke (TransNewsNet etc.) und verabschiede mich danach bis morgen!
Zitat von IlonaMichelle...kann Dich erst durch: Rechtsklick / "Grafik anzeigen", am rechten Rand des Bildes sehen.
Danke für den Hinweis, Ilona. Obwohl ich eine größere Bildsdchirmauflösung habe und das komplette Foto sehe, habe ich blinde Frau Sandra überhaupt nicht gesehen und mich gefragt, was das denn nun soll.. Na ja, liegt vielleicht daran, dass ich auf dem rechten Auge tatsächlich blind bin.
Auch ich erwarte nun mit Spannung weitere Neuigkeiten diesbezüglich von Sandra. Doch "Meilenstein" und "der Bann ist gebrochen" lässt ja Einiges erhoffen.
Als der Mensch allen Dingen ein Geschlecht gab, meinte er nicht zu spielen, sondern eine tiefe Einsicht gewonnen zu haben. Den ungeheuren Umfang dieses Irrtums hat er sich sehr spät und jetzt vielleicht noch nicht ganz eingestanden.
Friedrich Wilhelm Nietzsche, Morgenröthe - Kapitel 2
Verzeiht bitte; es ist sehr viel Text. Es lohnt sich aber sicherlich für alle, die sich das durchlesen möchten. Es bringt euch auf einen sehr neuen Stand, was die Arbeit an LGBT-Menschenrechten auf UN-Ebene betrifft und zeigt euch, welche Länder welchen Standpunkt vertreten. Es ist für viele Länder ein kontroverses Thema, und in vielen Ländern sind wir (d. h. Trans*-Menschen) kein sehr beliebtes Publikum. Ich war übrigens die einzige Transfrau weltweit, die für das SOGI-Panel akkreditiert wurde. Sonst waren noch drei Transmänner anwesend. Drei wunderbare Menschen, inspirierend, erfrischend, weltmännisch... Es war wirklich überaus angenehm. Das beste war übrigens die Party am Abend danach
Ich freue mich unten über jeden Kommentar und jede Diskussion!
Liebe Grüße Sandra-Isabell
Das historische SOGI-Panel der Vereinten Nationen am 07. März: ein Bericht
Am 7. März 2012 fand ein historisches Ereignis statt: Erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen wurde eine Podiumsdiskussion über Diskriminierung und Gewalt aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität abgehalten -- das SOGI-Panel.
Der Bericht unten gibt die Ereignisse während des Panels wieder und die Inhalte der Wortmeldungen. Wer sich ein Bild über die Standpunkte der einzelnen Länder machen möchte, dem empfehle ich die genaue Lektüre der Wortmeldungen -- trotz der Länge des Textes eine interessante Erfahrung! Und hin und wieder gibt es auch Unterhaltsames zu berichten.
Ich hatte mich absichtlich in die Nähe Pakistans gesetzt, um hautnah mitzuerleben, was die Organisation für islamische Zusammenarbeit zu sagen hat. Bereits im Vorfeld war ja klar, dass es zu starken Kontroversen kommen könnte. Ich saß bei Neuseeland, mich trennten nur Oman und Usbekistan von Pakistan.
Unmittelbar nachdem die Präsidentin des Menschenrechtsrats, Laura Dupuy Lasserre, das SOGI-Panel ankündigte, sprangen die Diplomaten auf und meldeten sich für eine Redezeit an. Es wirkte, als wolle der halbe Saal sprechen. Von Anfang an herrschte eine für UN-Verhältnisse ungewöhnlich hitzige Stimmung. Hier ein paar Impressionen:
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte, er verstehe, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität sensible Themen seien, aber man müsse darüber sprechen, da Leben auf dem Spiel stünden. Die Gewalt und Diskriminierung gegen Menschen einfach weil sie lesbisch, schwul, bisexuell oder Transgender sind, sei ein riesenhafter Schmutzfleck im kollektiven Gewissen und eine Verletzung internationaler Gesetze, auf die der Menschenrechtsrat reagieren müsse. Der Generalsekretär sagte den LGBT-Menschen, sie seien nicht allein, er stehe an ihrer Seite, und der Kampf gegen Gewalt und Diskriminierung sei ein gemeinsamer Kampf. Eine historische Veränderung sei im Gange, und immer mehr Staaten würden die Ernsthaftigkeit des Problems erkennen.
Als Eröffnungsrede sagte die Hohe Kommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, ein klares Muster abgezielter Gewalt und Diskriminierung sei in allen Weltregionen erkennbar, gerichtet gegen Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder angenommenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Die Hohe Kommissarin führte Beispiele berichteter Vorfälle an, z. B. gezielte Morde, gewalttätige Übergriffe, homophobe Schikanierung von Kindern und Folterhandlungen einschließlich sexueller Gewalt. Zumindest 76 Länder hätten noch immer Gesetze, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen explizit kriminalisieren oder verbieten. Heute sei für den Menschenrechtsrat eine historische Gelegenheit, ein neues Kapitel in der Geschichte der Vereinten Nationen zu beginnen, welches der Beendigung von Gewalt und Diskriminierung gegen alle Menschen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität gewidmet ist.
Die vollständige Eröffnungsrede von Navi Pillay werde ich noch übersetzen und nachreichen.
Abdul Minty, der ständige Vertreter Südafrikas bei den Vereinten Nationen, agierte als Moderator und befragte die Podiumssprecher über den Einfluss bestimmter Bräuche, Praktiken und Gesetze auf die Menschenrechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Menschen und ob solche Bräuche, Praktiken und Gesetze mit internationalem Recht übereinstimmen.
Laurence Helfer, Co-Direktor des Zentrums für internationales und vergleichendes Recht an der Duke University, USA, sprach als Podiumssprecher und sagte, alle Menschen seien gleich an Rechten geboren. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte schließe keine Einzelpersonen oder Gruppierungen aus und ganz gewiss auch keine lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Menschen. Der Bericht der Hohen Kommissarin besage, dass Diskriminierung und Gewalt aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität überall und in unterschiedlichen Formen existiere. Alle Länder müssten handeln. Das Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen einschließlich Sonderverfahren und Vertragsorganen habe die Thematik der Diskriminierung und Gewalt gegen LGBT-Menschen bereits viele Jahre lang durch allgemeine Kommentare angesprochen; es sei bei den Vereinten Nationen kein neues Thema.
Hans Ytterberg, Vorsitzender des Expertenausschusses des Europarats zur Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität, sprach als Podiumssprecher und sagte, Drohungen und Gewalt seien zum Alltag für lesbische, schwule, bisexuelle und Transgendermenschen geworden, ebenso wie Verletzungen ihres Rechts auf Privatleben, auf Redefreiheit, auf friedliche Versammlung, auf Arbeit oder auf Bildung. Die Staaten müssten nicht nur von einer weiteren Einmischung in diese Rechte absehen, sondern LGBT-Menschen und –Organisationen aktiv schützen und unterstützen.
Irina Karla Bacci, Vizepräsidentin des National Council for Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Persons in Brasilien, sprach als Podiumssprecherin und sagte, 76 Staaten hätten heute immer noch Gesetze, welche einvernehmliche gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwischen Erwachsenen kriminalisieren. Es gebe auch Länder, die ihre Gesetze reformiert hätten, wo die Gewalt aber trotzdem weitergehe; weitere Gesetzesreformen und die kulturelle Transformation der Gesellschaft seien dringend vonnöten. LGBT-Menschen würden oft aus ihren Wohnungen und Häusern geworfen, sie hätten ein geringeres Bildungsniveau, lebten in unmenschlichen Bedingungen und wurden oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Viele Verletzungen könnten nicht als öffentliches Verbrechen bezeichnet werden, da sie in privatem Rahmen geschehen; beispielsweise zeigte jüngst eine Studie in Brasilien, dass dort die Diskriminierung in Gemeinschaften, Familien und Schulen größer war. Es sei sehr wichtig, die Kultur an öffentlichen Orten weiterhin zu transformieren, aber auch in Privatbereiche einzudringen.
Hina Jilani, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses Pakistans und ehemalige Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für Menschenrechtsverteidiger, sprach als Podiumssprecherin und begrüßte die Initiative, dieses SOGI-Panel abzuhalten; es sei von äußerster Wichtigkeit, die ernsten Themen anzugehen, die im Bericht der Hohen Kommissarin besprochen werden. Sie sagte, ohne solche Diskussionen wie die heutige Podiumsdiskussion würde die schreckliche Wirklichkeit, die aus den Seiten des Berichts der Hohen Kommissarin hervorgeht, weiterhin ungehindert fortbestehen können. Niemand bestreite, dass es Herausforderungen gebe; die Staaten müssten nicht nur ihren Verpflichtungen unter internationalen Verträgen nachkommen, sondern auch jenen, die sich aus ihren eigenen Verfassungen ergeben, beispielsweise das Recht der vollen Anerkennung der Menschenwürde. Sehr vieles von dem Material über Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität deute auf die Verletzung grundlegender Menschenrechte und Grundfreiheiten; Ausweisgesetze hätten das Staatsangehörigkeitsrecht und verwandte Rechte verdunkelt. Es gebe keine Ausnahmen in der Anwendung der allgemeinen Menschenrechte, und alle Regierungen hätten die Pflicht, sicherzustellen, dass jene Rechte und Gesetze zur Anwendung kommen und Betreiber von Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt werden.
Die Diskussion
Hiernach folgte die Diskussion.
Im interaktiven Dialog sprachen folgende Staaten: [*] Argentinien im Namen des Gemeinsamen Marktes des Südens (MERCOSUR) [*] Pakistan im Namen der Organisation für islamische Zusammenarbeit [*] die Europäische Union [*] Mauretanien im Namen der Arabischen Gruppe [*] Senegal im Namen der Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Gruppe [*] Nigeria [*] Russland [*] Kuba [*] Norwegen [*] Uruguay [*] Honduras [*] Ecuador [*] Schweden [*] Griechenland [*] Österreich [*] Australien [*] Irland [*] Deutschland [*] Israel [*] Thailand [*] Schweiz [*] Vereinigte Staaten [*] Republik Korea [*] Portugal [*] Mexiko [*] Frankreich [*] Finnland [*] Vereinigtes Königreich [*] Estland [*] Nicaragua [*] der Europarat [*] Niederlande [*] Kroatien
Es wollten noch weitere Länder sprechen, unter anderem der Vatikan, die Liste wurde jedoch zu lang und die betreffenden Länder bekamen keine Redezeit mehr zugestanden.
Nach den Ländern sprachen folgende nichtstaatliche Organisationen: [*] Gemeinsame Erklärung von Menschenrechtsinstituten aus dem Vereinigten Königreich, Schottland, Deutschland, Australien, Neuseeland, der Mongolei, Griechenland, Ecuador und Frankreich [*] ILGA (International Lesbian and Gay Association) [*] ICJ (International Commission of Jurists) [*] COC Nederlands [*] Joint United Nations Programme on HIV/AIDS [*] Canadian HIV Legal Network
Argentinien sprach im Namen des Gemeinsamen Marktes des Südens (MERCOSUR) und sagte, es wäre eine Unterarbeitsgruppe in der Menschenrechtsinfrastruktur des MERCOSUR-Blocks geschaffen worden, um Gewalt- und Diskriminierungshandlungen aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität anzugehen.
Pakistan sprach im Namen der Organisation für islamische Zusammenarbeit und sagte, sie hätten beständig und vehement dem kontroversen Begriff „sexuelle Orientierung“ widerstanden, ein vager und irreführender Begriff, der keine übereinstimmende Definition und keine rechtliche Grundlage in internationalem Recht hätte. Unter dem Konzept der sexuellen Orientierung gefördertes unzüchtiges Verhalten sei gegen die Grundlehren verschiedener Religionen einschließlich des Islam. Die Legitimisierung von Homosexualität und anderer persönlicher sexueller Verhaltensweisen im Namen der sexuellen Orientierung sei für die Organisation für islamische Zusammenarbeit nicht hinnehmbar.
Hiernach verließen die meisten arabischen und afrikanischen Staaten die Sitzung. Eine bemerkenswert starke Geste, denn das letzte Mal verließen Diplomaten eine Sitzung, als der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad seine Brandrede hielt. Aus den Vereinten Nationen wurden in diesem Moment eher „Gespaltene Nationen“. Ein Video dieses Geschehens findet ihr hier:http://www.youtube.com/watch?v=D9IYj9BPyPY
Die Europäische Union sagte, es ginge hier nicht über die Schaffung neuer Rechte für bestimmte Menschen, sondern um die Sicherstellung, dass alle Menschen sämtliche Menschenrechte wahrnehmen können, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Die Europäische Union bat die Podiumssprecher, auf die Rolle der Medien bei der Bekämpfung negativer Stereotypen und Diskriminierung einzugehen.
Mauretanien sprach im Namen der Arabischen Gruppe und sagte, es sei gegen die Thematik der sexuellen Orientierung, und eine Debatte über diese Angelegenheit führe zu weiterem Unfrieden zwischen den Mitgliedsstaaten und würde die wirksame Antwort des Rates auf menschenrechtliche Angelegenheiten unterminieren. Versuche, das kontroverse Thema der sexuellen Orientierung einzubringen, zielten auf die Schaffung neuer Rechte für spezifische kulturelle Werte ab, die negative Auswirkungen auf soziale Strukturen hätten.
Senegal bekräftigte im Namen der Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Gruppe die Wichtigkeit der Achtung kultureller und religiöser Werte, wenn es um Menschenrechtsangelegenheiten ginge. Man weise jeden Versuch der Einführung von Konzepten oder Vorstellungen über gewisse Verhaltensweisen zurück, die nicht in den Rahmen der international vereinbarten Menschenrechte fielen.
Nigeria sagte, kein Bürger sehe sich aufgrund sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität einer Gefahr ausgesetzt. Nigeria habe ein Gesetz verabschiedet, welches gleichgeschlechtliche Ehen verbietet, und wolle nicht, dass andere Staaten ihre eigenen kulturellen Werte dem Ausland aufzwingen.
Russland sagte, in Russland sei Diskriminierung auch aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität untersagt, obwohl man glaube, es sei nicht angemessen, neue rechtliche Regelwerke einzuführen, die zu einer weiteren Verwässerung internationaler Menschenrechtsnormen führen.
Kuba sagte, Diskriminierung und Gewalt gegen Einzelpersonen seien nicht zu rechtfertigen, was auch für Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität gelte, doch eine Konfrontation auf internationaler Ebene müsse vermieden und statt dessen der Dialog gefördert werden.
Norwegen und Uruguay priesen die Hingabe von Südafrika an die Rechte von LGBT-Menschen und wiederholte den Aufruf für ein Ende von Gewalt und Diskriminierung. Uruguay sagte, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität seien kontroverse Begriffe innerhalb des Rates. Alle Mitgliedsstaaten seien jedoch unter internationalem Recht verpflichtet, alle Menschen vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen, einschließlich LGBT-Menschen.
Honduras sagte, es habe legislative Fortschritte gemacht, einschließlich der wirksamen Implementierung des Verbotes von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität.
Ecuador sagte, seine gegenwärtige Verfassung habe den Schutz von Transgendermenschen vor Gewalt und Diskriminierung deutlich verbessert, und homophobe, rassistische oder sexistische Gewalt wäre nun im nationalen Recht eine kriminelle Handlung.
Schweden sagte, alle Regierungen müssten sicherstellen, dass ihre Bestimmungen nicht zu Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität führen, und dass Schweden auf internationaler Ebene aktiv für ein Verbot von Diskriminierung oder Gewalt gegen LGBT-Menschen arbeiten würde.
Griechenland sagte, es habe im innerstaatlichen Recht eine Antidiskriminierungsgesetz geschaffen, welches sich explizit des Themas annimmt, und sexuelle Orientierung würde auf dem Gebiet der Anwendung eines Gesetzes gegen Xenophobie mit eingeschlossen. Griechenland und Österreich glaubten, es könne keine Rechtfertigung für Diskriminierung oder Gewalt aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität geben, und die Staaten hätten eine klare Verpflichtung, Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität zu verhindern.
Australien zeigte sich besorgt über die signifikante Gewalt- und Diskriminierungsrate bei LGBT-Menschen in der ganzen Welt.
Deutschland sagte, die Unterdrückung lesbischer, schwuler, bisexueller und transsexueller Menschen sei Teil der Nazi-Ideologie gewesen, und Deutschland wäre nun entschlossen, der Diskriminierung und Gewalt auf dieser Grundlage ein Ende zu setzen.
Irland sagte, die Podiumsdiskussion sei für den Rat eine Gelegenheit, sein Mandat für die Förderung der Menschenrechte für alle Menschen voll zum Einsatz zu bringen. Die Beendigung von Diskriminierung und Gewalt gegen LGBT-Menschen erfordere einen längergehenden Dialog, um das öffentliche Bewusstsein in dieser Richtung zu vergrößern.
Israel unterstützte die Empfehlungen im Bericht uneingeschränkt und rief alle Staaten, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften kriminalisieren, auf, ihre Gesetze zu ändern.
Thailand bedauerte, dass die Diskussion über das Thema eine Spaltung unter den Mitgliedsstaaten des Rates bewirkte, und sagte, Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung sei in Thailands Verfassung ausdrücklich verboten, obgleich weitere Maßnahmen einschließlich Öffentlichkeitskampagnen notwendig wären.
Die Schweiz sagte, Gewalt und Diskriminierung gegen LGBT-Menschen seien weiterhin ein Problem, und zwar auch in Europa. Nichtdiskriminierung wäre ein Grundrecht.
Menschenrechtsinstitutionen aus dem Vereinigten Königreich, Schottland, Deutschland, Australien, Neuseeland, der Mongolei, Griechenland, Ecuador und Frankreich gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in welcher sie die Sensibilität des Themas einräumten und den Bericht der Hohen Kommissarin unterstützten, welcher die Tatsache zum Ausdruck brachte, Gewalt und Diskriminierung von LGBT-Menschen seien Verletzungen von Menschenrechtsinstrumenten, die von allen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen anerkannt worden waren.
Die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) sagte im Namen von Menschenrechtsvereinigungen auf dem Gebiet der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität, die Zeit sei nun für den Menschenrechtsrat angebrochen, einen Überwachungsmechanismus zur Adressierung der Situation von LGBT-Menschen einzurichten.
Die International Commission of Jurists (ICJ) sagte in einer gemeinsamen Erklärung, dass alle einschließlich LGBT-Menschen ein Recht auf alle Rechte hätten, einfach weil sie Menschen sind, und die Wiener Erklärung besage, die Staaten hätten die Pflicht, Menschenrechte für alle zu fördern.
COC Netherlands sagte, Transmenschen existierten überall und seien Teil aller Länder und Kulturen, würden jedoch geschlagen und zum Opfer auch anderer Arten von Gewalt. Die Regierungen verweigerten ihnen oft Ausweispapiere, die ihre Identität repräsentieren, und Gesundheits- und Rechtssysteme versagten bei Transmenschen auf vielfältige Weise. Internationale Menschenrechtsorganisationen hätten eine Verpflichtung, die Rechte von Transmenschen zu schützen.
Ende des ersten Teils der Sitzung
An dieser Stelle endete der erste Teil der Sitzung, und die Podiumssprecher beantworteten die gestellten Fragen:
Laurence Helfer sprach die Haupthindernisse an, welche den wirksamen Schutz der Menschenrechte von LGBT-Menschen verhindern: ein Mangel an Informationen über das volle Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen und die durchgängige Benutzung von Vorurteilen und Stereotypen, was ebenfalls zu einem Mangel an Informationen führte. Die Tatsache wurde referenziert, dass die Konzepte über geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung nur vage sind. Ob das Konzept der sexuellen Orientierung nun definiert wurde oder nicht, es sei nötig anzuerkennen, dass Männer und Frauen verfolgt würden und dies aufhören müsse. Alle Mitgliedsstaaten sollten die detaillierten und sorgfältig ausformulierten Empfehlungen der Hohen Kommissarin überdenken, während der Rat regelmäßige Diskussionen und den Austausch von Meinungen zum Thema abhalten sollte. Alle Mandatshalter von Sonderverfahren sollten die Thematik der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität weiterhin untersuchen, je nach Mandat.
Hans Ytterberg sagte, ein wesentliches Hindernis sei, dass ungeheuerliche Verletzungen von Menschenrechtsgesetz unerkannt und unveröffentlicht blieben und auch straffrei ausgingen. Es sei von größter Wichtigkeit, dass homophobe Verbrechen untersucht und die Täter verfolgt und entsprechend bestraft würden. Der Rat sollte sich regelmäßig (und nicht nur fallweise) diesem Thema widmen, und eine integrierte Herangehensweise sei sehr wichtig. Die Angelegenheiten befänden sich im Herzen der Menschenrechtsagenda, und dort sollten sie auch verbleiben. Herr Ytterberg zitierte den früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, der einmal sagte, ihm wäre aufgefallen, dass die einzigen, die über kulturelle Differenzen, traditionelle Werte und unterschiedliche Betrachtungen von Menschenrechten sprachen, die Regierungen seien.
Irina Karla Bacci sagte, der Bericht der Hohen Kommissarin habe eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Menschen aufgezeigt, und allein in Brasilien seien zwischen 2010 und 2011 mehr als 200 LGBT-Menschen ermordet worden; Brasilien habe die höchste Zahl von Morden an Transsexuellen zu verzeichnen. Die Mordzahlen an LGBT-Menschen nehmen sowohl in der Region als auch in der ganzen Welt zu, und einige erleben in ihren Familien extreme Brutalität. Ohne Netzwerke, um solche Verletzungen zu identifizieren, würde niemand das Ausmaß der systematischen Gewalt kennen; viele Taten geschähen unbemerkt und kämen in keiner Regierungsstatistik vor. Der Rat solle einen besonderen Bericht über Menschenrechtsverletzungen an LGBT-Menschen verfassen.
Hina Jilani sagte, es sei sehr wichtig zu betonen, dass ein großes Hindernis die beständige Verweigerung von Schutz vor Gewalt für Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität sei. Jene Verweigerung und Zurückweisung sei nicht weise für Regierungen, die behaupteten, der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet zu sein. Es sei nicht überzeugend, wenn Kultur und Religion als Schild und Ausrede für ein Versagen im Gewähren von Schutz herangezogen würden. Es gebe keine Auffassung von Verantwortung, die es dem Verpflichteten erlaube, Schutz nur selektiv zu gewähren. Die Rechtsstaatlichkeit könne nur gestärkt werden, wenn sie mit Gerechtigkeit verknüpft ist, und die Judikative spiele eine sehr wichtige Rolle. Menschenrechtsverteidiger seien ebenfalls von wesentlicher Wichtigkeit, und es sei essentiell, sie zu schützen und ihnen zu ermöglichen, ihrer Verantwortung als Akteure der Zivilgesellschaft nachzukommen.
Weitere Diskussion
Weitere Diskussion:
Die Vereinigten Staaten sagten, LGBT-Rechte seien Menschenrechte und Menschenrechte seien LGBT-Rechte. Sie riefen die Ansprache in Erinnerung, die Außenministerin Hillary Clinton vor kurzem zu dieser Thematik in Genf gehalten hat. Die Vereinigten Staaten betonten, dass 76 Länder einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Handlungen noch immer kriminalisierten, fünf davon mit Todesstrafe, und baten die Podiumssprecher um eine Aussage zum Thema, wie der Schutz der Menschenrechte von LGBT-Menschen mit dem Schutz der Menschenrechte für alle Einzelpersonen voll kompatibel sei.
Die Republik Korea sagte, die internationale Gemeinschaft müsse jedwede Gewalt und verwandte Menschenrechtsverletzung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität unterbinden, und befragte die Podiumssprecher über die geeignetsten Schritte, die vom Menschenrechtsrat in der Folge der heutigen Diskussion unternommen werden könnten.
Portugal äußerte Bedenken über das Muster der Menschenrechtsverletzungen aufgrund sexueller Orientierung und dass für jene Menschen oft die Todesstrafe ausgesprochen würde.
Mexiko sagte, die Debatte ginge nicht über sexuelle Orientierung, sondern über Diskriminierung, und forderte eine graduelle Herangehensweise, um alle Mitgliedsstaaten zusammenzubringen.
Frankreich sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass LGBT-Menschen Opfer von Schikanierung, Folterhandlungen und willkürlichen Gefangennahmen geworden und die Täter straflos ausgegangen seien. 2010 hätten Frankreich und Norwegen einen Fonds zur Unterstützung nichtstaatlicher Organisationen eingerichtet, die Menschenrechtsverletzungen an LGBT-Menschen bekämpften.
Finnland sagte, es unterstütze die Empfehlungen im Bericht zur Einrichtung von Systemen zur Überwachung, Aufzeichnung und Berichterstattung von Vorfällen, und bat die Podiumssprecher um Mitteilung ihrer Ansichten über die beste Art und Weise, in welcher der Menschenrechtsrat diesen Menschenrechtsverletzungen regelmäßig folgen könne.
Das Vereinigte Königreich sagte, die Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen sei ein wesentlicher erster Schritt für die Förderung kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen. Im Vereinigten Königreich würden Verbrechen nun solcherart aufgezeichnet, dass eine weit deutlichere Vorstellung über das Ausmaß an Gewalt und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung möglich ist, um gezielte Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Estland sagte, es habe eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung einschließlich eines Gesetzes über die Gleichbehandlung der Geschlechter angenommen und umgesetzt, welche Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung im Arbeitsleben verbiete.
Nicaragua sagte, es habe sexuelle Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern entkriminalisiert und Öffentlichkeitskampagnen für mehr Toleranz durchgeführt. Bildung sei ein grundlegendes Mittel zur Veränderung von Wahrnehmungen, die zu Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung führten.
Der Europarat sagte, obgleich gleichgeschlechtliche Handlungen in ganz Europa entkriminalisiert wurden, gebe es noch immer Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, und ein menschenrechtsbasierter Ansatz sei zur Bekämpfung der Diskriminierung nötig.
Die Niederlande sagten, die Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt seien Ziele, die jeder unterschreiben könne, während Kroatien überzeugt war, entschlossene und zielgerichtete gemeinsame Bemühungen bei der Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund Geschlecht oder sexueller Orientierung würden schon bald greifbare Resultate bringen.
Das Joint United Nations Programme on HIV/AIDS drückte die Hoffnung aus, der Menschenrechtsrat könne einen Mechanismus finden, um den heutigen Dialog fortzuführen.
Das Canadian HIV Legal Network sagte in einer gemeinsamen Erklärung, afrikanische LGBT-Aktivisten bäten nicht um irgendwelche besonderen Rechte, sondern verlangten von ihren Regierungen einfach, dass jene ihren Verpflichtungen unter internationalem Recht und ihrer eigenen nationalen Verfassungen nachkommen.
Abschließende Bemerkungen
Abdul Minty, der ständige Vertreter Südafrikas bei den Vereinten Nationen, agierte als Moderator und sagte, es dürfe keine Diskriminierung und Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung geben. Die Sprecher hätten die südafrikanische Ubuntu-Stimmung angesprochen, die im Grunde besagt: Ich bin, weil du bist. Sie trägt die Botschaft, dass alle Menschen durch ihr gemeinschaftliches Menschsein verbunden sind, und alle haben eine Verpflichtung, sich gegenseitig gemäß der menschenrechtlichen Grundprinzipien zu beschützen.
Abschließend fragte Maria Nazareth Farani Azevedo, die ständige Vertreterin Brasiliens bei den Vereinten Nationen, alle Anwesenden, ob es hinnehmbar sei, jemanden aufgrund der Hautfarbe zu diskriminieren. Sie würde Nein sagen und ging davon aus, dass die meisten Anwesenden ihr zustimmen würden. War es hinnehmbar, jemanden an den Rand der Gesellschaft zu drängen, ohne Arbeit, Gesundheitsversorgung, Bildung etc., aufgrund Hautfarbe, Nationalität oder Religion? Auch hier würde sie Nein sagen und hoffte, der Rat würde dies ebenfalls tun. War es dann hinnehmbar, jemanden aufgrund der sexuellen Orientierung zu diskriminieren oder zu erniedrigen? Wieder würde Frau Azevedo mit Nein antworten, in der Hoffnung, dass dies alle ebenso sehen. Heute sei keine außergewöhnliche Diskussion, sondern alles wie immer. Regierungen und Zivilgesellschaft seien zusammengekommen, beflügelt durch den gemeinsamen Wunsch, Menschenrechte zu fördern und zu schützen, und während es unterschiedliche Herangehensweisen geben möge, seien die Grundprinzipien dieselben.
Navanethem Pillay, Hohe Kommissarin für Menschenrechte, und Laura Dupuy Lasserre, Präsidentin des Menschenrechtsrats, diskutieren vor der Eröffnung der Podiumsdiskussion. Foto: Violaine Martin http://i69.photobucket.com/albums/i41/lavasoup/TwoLadies.jpg
Ein Bild, das mir besonders symbolträchtig erscheint, möchte ich hier direkt verlinken. Ich und mein Begleiter, ein Transmann, waren gerade auf UN-Gelände unterwegs, als ich spontan ein Bild machte. Es ist ein Laufbild; wir haben nicht angehalten. Das Bild scheint mir die aktuelle Situation bei den Vereinten Nationen wiederzugeben: Transfrau neben Transmann. Zwei Silhouetten, die jetzt noch mit Substanz gefüllt werden müssen. Denn die LGBT-Debatte hat bei den Vereinten Nationen erst frisch begonnen. (Foto: Sandra-Isabell Trautner)
ganz, ganz herzlichen Dank für Deine Teilnahme am SOGI-Panel der Vereinten Nationen!
Insbesondere als Betroffene, die manches intensiver empfindet, war die Teilnahme für Dich sicher anstrengend. Andererseits war es sehr wichtig, dass Du dabei warst!!! Du machst übrigens eine gute Figur und ich hätte Dich selbst ohne Tipp sofort entdeckt. (Beruflich bin ich seit Jahrzehnten regelmäßig bei Tagungen. Seit 2008 trage ich dort als einzige TI- Kollegin so ganz im Kleinen auch zur Diversität bei...)
Nachdem ich mir mit Hilfe Deines Links die gesamten Beiträge über 3:01:44 Stunden angehört habe (Sogar nachhinein ganz schön anstrengend), war ich tief beeindruckt. Trotz der Widerstände durch Russland, der islamischen und afrikanischen Staaten etc. glaube ich, dass sich die Erkenntnis, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten, letztendlich doch meist durchsetzt. Es dauert oft lange, aber die Vereinten Nationen, als wichtigstes Gremium der Menschheit, setzen sich öfter durch, als man erwarten würde...
Viele Beiträge waren ausgezeichnet, insb. der Beitrag von COC Netherlands hat mich begeistert!
Nochmals ein sehr persönliches Danke, Danke!! von mir und ganz, ganz liebe Grüße ab
FÜR: Menschenrechte, eine gelebte demokratische Zivilgesellschaft, die Minderheiten schützt ERGO: Umfassende Bildung für alle, effektive Regeln in Alltag und Netz, eine gut ausgestattete Polizei/Justiz
Weißt du was, Frangn is a klaans Kaff. Des merk i immer wieder. Hinter mir auf dem Bild von ganz oben (wo ich im Plenarsaal sitze) siehst du direkt hinter mir Andrea Kämpf vom Deutschen Institut für Menschenrechte (mittlerweile eine gute Freundin). Sie kommt aus Erlangen. Und hier im Bild http://i69.photobucket.com/albums/i41/lavasoup/IMG_0418.jpg ist Justus Eisfeld, Chef von Global Action for Trans* Equality in New York, und im Gespräch stellte sich heraus, dass wir beide auf die gleiche Schule gegangen sind und uns damals unter Garantie auch über den Weg gelaufen sein müssen!! Die Welt ist sowas von klein! Frangn is echt a klaans Kaff! Die Schule war das Gymnasium Höchstadt/Aisch, auch in Franken übrigens, gar nicht weit von Erlangen / Nürnberg weg. Justus ist einer derjenigen, die ich oben mit "weltmännisch, inspirierend, erfrischend" bezeichnete. Noch ein Bild: http://i69.photobucket.com/albums/i41/lavasoup/IMG_0427.jpg (Da wurde er gerade für eine kanadische Zeitung interviewt [siehe ganz rechts])
Ich finde es begeisternd, dass du dir die vollen drei Stunden angesehen hast. Herzlichen Dank für deine Ausdauer! Ich würde mich wirklich sehr gerne mal mit dir treffen, einerseits weil wir so ähnlich "ticken", andererseits weil ich meiner alten Heimat sehr gerne wieder einen Besuch abstatten würde. Ich würde mich sehr freuen, ab! Die drei Stunden waren sicher auch für dich spannend, nicht wahr? Ich fand es faszinierend, den Standpunkten der Länder, NHRIs und NGOs zu lauschen. Wie ich meinem wichtigsten Kontakt bei den UN schon geschrieben habe, könnte ich das den ganzen Tag machen. Ich habe es geliebt, dort zu sitzen und mir alles anzuhören. Ich fühlte mich in diesem Saal absolut zuhause, so als wäre es mein Wohnzimmer... Und dann im Nachhinein alles zusammenzufassen und zu analysieren, das könnte ich mir durchaus für jeden Tag vorstellen Besagter Kontakt pocht übrigens immer wieder auf den Punkt, dass sich die Schwäche der Argumente der Opposition immer deutlicher herauskristallisiert und genau das zum Tragen kommen wird, was du sagst, liebe ab: Menschenrechte gelten für ALLE. Unterschiedslos.
Und ich pflichte dir bei, die Vereinten Nationen haben schon so manches erreicht, wo die üblichen politischen Instrumente ihre liebe Mühe gehabt hätten: - Entscheidende Mitwirkung bei der Gründung des Staates Israel 1947-49 - Entschärfung von z. B. Berlinkrise, Kubakrise, Nahostkrise - Einwirkung auf Rhodesien 1976 hinsichtlich der Einführung des Wahlrechts für Farbige - Beendigung des ersten Golfkriegs 1988 - Ausarbeitung der Menschenrechte 1948 - Ausrottung oder Eindämmung von Krankheiten wie z. B. den Pocken - Flüchtlingsschutz (UNHCR --> die haben eine ständige Präsenz in Genf)
...und gesellt sich jetzt die Achtung und Wahrung der Menschenrechte von LGBT-Menschen zu dieser Liste hinzu?? Das wäre ein weiterer echter Meilenstein, und er beträfe unmittelbar UNS!
COC Netherlands... Ja, das war übrigens Justus Eisfeld, der da gesprochen hat... Er hatte mir seine Rede im Vorfeld gezeigt, und ich habe mich gewundert, dass er diesen ganzen langen Text in seinen zwei zur Verfügung stehenden Minuten untergebracht hat.
Hier noch -- wie oben versprochen -- die Rede der Hohen Kommissarin für Menschenrechte in der deutschen Übersetzung von Sandra-Isabell. Es lohnt sich, das zu lesen. Die Rede ist schön...
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Rede der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navanethem Pillay, anlässlich der Podiumsdiskussion über Menschenrechte, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität am 07. März 2012
ich freue mich, meine Studie über diskriminierende Gesetze, Praktiken und Gewalthandlungen gegen Einzelpersonen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität vorzulegen. Hierbei sind mir die unterschiedlichen Ansichten innerhalb und außerhalb des Menschenrechtsrats über die Rechte von Einzelpersonen bezüglich ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität bewusst. Ich bin jedoch sicher, niemand von Ihnen würde ernsthafte, systematische Menschenrechtsverletzungen gegen diese Menschen tolerieren.
Der Generalsekretär sagt, in seiner Kindheit habe man nicht über diese Angelegenheiten geredet. Dasselbe mag auch für einige von uns gelten, die heute hier sind. Wie der Generalsekretär sind wir dabei, uns zu bilden. Aber es ist Zeit, anzuerkennen, dass schlimme Gewalt und Diskriminierung gegen lesbische, schwule, bisexuelle und Transgendermenschen (LGBT) betrieben wurde, während wir über andere Dinge sprachen.
Dieser Rat stand für die Rechte aller ein, als Staaten aller Regionen letzten Juni zusammenkamen und die Resolution 17/19 annahmen, die "ernste Besorgnis über Gewalthandlungen und Diskriminierung in allen Weltregionen gegen Einzelpersonen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität" zum Ausdruck brachte.
In derselben Resolution bat mich der Rat, eine Studie auszuarbeiten, welche "diskriminierende Gesetze, Praktiken und Gewalthandlungen gegen Einzelpersonen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität in allen Weltregionen dokumentiert", und zu untersuchen, "wie internationale Menschenrechtsnormen zur Beendigung der Gewalt und verwandter Menschenrechtsverletzungen aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität herangezogen werden können."
Jene Studie, ausgearbeitet von meinem Büro, liegt Ihnen nun vor. Die Studie beginnt mit der Erinnerung an die Prinzipien der Allgemeingültigkeit, Gleichheit und Nichtdiskriminierung und steckt die anwendbaren internationalen Normen und Verpflichtungen der Staaten unter internationalem Menschenrechtsgesetz ab. Danach beschreibt sie einige Formen der Gewalt einschließlich Mord, Vergewaltigung, Folter und andere Formen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung sowie Bestimmungen für Asylsuchende, die vor Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität fliehen.
Die Studie betrachtet diskriminierende Gesetze besonders hinsichtlich dreier Bereiche: Gesetze zur Kriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen, die Anwendung der Todesstrafe und willkürliche Inhaftierung und Festnahme. Danach geht sie über zur Beschreibung einiger diskriminierender Praktiken in Bereichen wie Arbeitsleben; Gesundheitsversorgung und Bildungswesen sowie Behinderungen der Redefreiheit, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; diskriminierende Praktiken in Familie und Gemeinschaft; und die Verweigerung der Anerkennung von Beziehungen und verwandtem Zugang zu Sozialhilfe und anderen Geldmitteln. Ebenso beschreibt die Studie einige der aufgekommenen Antworten auf nationaler Ebene und bietet Schlussfolgerungen und Empfehlungen.
Hinsichtlich ihrer Methodik greift die Studie auf Rechtsprechungen und dokumentiertes Material zurück, welches fast zwei Jahrzehnte zurückreicht und von Menschenrechtsvertragsorganen der Vereinten Nationen sowie von Sonderberichterstattern zusammengetragen wurde. Sie integriert auch Resultate regionaler Organisationen und Daten einiger nationaler Behörden und nichtstaatlicher Organisationen.
In all dem zusammengetragenen Material zeigt sich ein Muster – ein klares Muster zielgerichteter Gewalt und Diskriminierung gegen Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder nur wahrgenommenen LGBT-Zugehörigkeit. Es ist ein Muster, welches von vielen Staaten zu lange übersehen wurde, und eines, bei dem der Rat die Pflicht hat, dieses anzugehen.
Lassen Sie mich nun kurz auf die drei Hauptbereiche unserer Studie eingehen, wobei ich die Gewalt als erstes ansprechen möchte.
Der erste Punkt ist die Bemerkung, dass Gewalt gegen LGBT-Menschen in allen Regionen geschieht. Gewöhnliche Berichte umfassen: zielgerichtete Morde, gewaltsame Übergriffe, Folterhandlungen und auch sexuelle Gewalt. Offizielle Statistiken sind kaum vorhanden. Vielen Staaten fehlen Systeme zur Aufzeichnung und Berichterstattung von Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen. In anderen Staaten gibt es zwar Systeme, aber Polizeibeamten fehlt das nötige Training, um mit den Opfern umzugehen und das Motiv für diese Übergriffe zu erkennen und korrekt aufzuzeichnen. Ebenso wissen wir, dass die Opfer in vielen Fällen zögern, Vorfälle zu melden, da sie dem Polizeivollzugsdienst nicht trauen.
Aber wo immer wir Daten haben, zeigen sie durchweg erstaunlich hohe Raten an Gewalt und Brutalität. Dies wird von Berichten vieler hundert Einzelvorfälle untermauert, die den Sonderverfahren vorgelegt wurden.
Wir haben Berichte über schwule Männer, die unter homophoben Ausrufen von Angreifern attackiert und sterbend auf der Straße liegen gelassen wurden. Lesben wurden Opfer von Gruppenvergewaltigungen, die zuweilen als so genannte „korrektive Vergewaltigung“ charakterisiert werden. Transgendermenschen werden sexuell misshandelt und zu Tode gesteinigt, wobei ihre Körper dergestalt zugerichtet werden, dass man sie praktisch nicht mehr identifizieren kann. Und wir verfügen über Informationen über Misshandlungen bei der Polizei und in Gefängniszellen – einschließlich des Falls eines lesbischen Pärchens, das von Polizeibeamten verprügelt und sexuell misshandelt wurde, sowie des Falls einer Transfrau, die in ein Männergefängnis gesteckt und über 100 Mal vergewaltigt wurde, manchmal mit Unterstützung der Gefängnisbeamten.
Wenn solche Vorfälle zielgerichtet stattfinden, wenn sie Teil eines Musters systematischer Gewalt sind, so wie in diesem Zusammenhang, dann stellen sie eine ernste menschenrechtliche Herausforderung dar, und dieser Rat hat die Pflicht, dem zu begegnen.
Entsprechend Resolution 17/19 gehen wir in unserer Studie auch auf diskriminierende Gesetze ein. Ein unmittelbarer Sorgenbereich sind Gesetze, welche Einzelpersonen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität kriminalisieren. Wenigstens 76 Länder haben immer noch Gesetze, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen entweder ausdrücklich kriminalisieren oder vage Bestimmungen enthalten, die auf diskriminierende Weise angewendet werden, um LGBT-Menschen zu verfolgen.
Diese Gesetze sind ein Anachronismus und in vielen Fällen ein Relikt aus der Kolonialherrschaft. Wie der Menschenrechtsausschuss wiederholt bestätigt hat, brechen sie internationales Menschenrechtsgesetz und verletzen die Rechte auf Privatsphäre und die Freiheit von Diskriminierung. Ebenso verursachen sie enormes unnötiges Leid, sie verstärken Stigmata, schüren die Gewalt und unterminieren Bemühungen, die Verbreitung von HIV/AIDS einzudämmen.
Die Studie dokumentiert ebenso eine Reihe diskriminierender Praktiken, welche die Fähigkeit von Einzelpersonen, ihre Menschenrechte im Alltagsleben wahrzunehmen, beeinflussen. Beispielsweise könnten Arbeitgeber jemanden nur aufgrund seines Schwul- oder Lesbischseins feuern, nicht einstellen oder nicht befördern, und auch Leistungen zur Arbeitnehmervorsorge können diskriminierenden Beschränkungen unterworfen sein. An Schulen sind Kinder schon mit acht oder neun Jahren homophoben Schikanierungen, Einschüchterungen und körperlichen Angriffen ausgesetzt. Viele dieser gemobbten Kinder ziehen sich in die Isolation zurück, bekommen Depressionen und verlassen die Schule; einige verüben Selbstmord. Und in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen sind diskriminierende Haltungen ebenfalls präsent, und Transgender- und Intersex-Menschen werden ganz besonders nachlässig versorgt.
Staaten machen es Transgendermenschen oft schwer, Ausweisdokumente zu bekommen, die ihr bevorzugtes Geschlecht wiedergeben – ohne solche Dokumente sind viele gezwungen, am Rande der Gesellschaft zu leben, ausgeschlossen vom Arbeitsleben, vom Gesundheitswesen, vom Bildungssystem und anderen Grundrechten.
Selbst in einigen Familien nimmt die Diskriminierung eklatante Ausmaße an: Jugendliche werden aus dem Haus geworfen, von ihren eigenen Eltern verleugnet, sie werden zum Verlassen der Schule oder zum Aufenthalt in psychiatrischen Einrichtungen gezwungen. Mädchen werden in Ehen oder Schwangerschaften gezwungen, um ihre sexuelle Orientierung zu „verschleiern“, und umgekehrt müssen junge Frauen auf ihre Kinder verzichten, wenn ihre sexuelle Orientierung bekannt wird. Es existieren sogar Berichte über so genannte „Ehrenmorde“ an schwulen Söhnen und lesbischen Töchtern.
Und wenn sich Menschenrechtsverteidiger öffentlich äußern, sehen auch sie sich diskriminierenden Beschränkungen gegenüber. Nichtstaatliche Organisationen, die sich mit LGBT-Themen beschäftigen, hatten Razzien in ihren Büroräumen, ihre Lizenzen wurden aufgehoben oder zurückgewiesen, Anträge auf öffentliche Versammlungen und Paraden wurden verweigert.
Ich weiß, dass einige gegen das, was wir sagen, Widerstand leisten werden. Man könnte argumentieren, Homosexualität und der Ausdruck einer Transidentität stünden mit lokalen kulturellen oder traditionellen Werten im Konflikt, oder auch mit religiösen Lehren, oder sie widersprächen der öffentlichen Meinung.
Wir sollten diese Einwände nicht abschmettern, sondern sorgfältig zuhören, uns auf die Verletzungen konzentrieren und versuchen, trotz der Schwierigkeiten Fortschritte zu erzielen. Wie immer steht es allen Menschen zu, ihre eigene Meinung zu haben. Sei können zum Beispiel nicht mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen einverstanden sein. Sie haben ein absolutes Recht, jede religiöse Lehre ihrer Wahl zu glauben und in ihrem Leben zu befolgen.
Aber das ist dann auch die Grenze. Das Gleichgewicht zwischen Tradition und Kultur auf der einen Seite und Allgemeiner Menschenrechte auf der anderen Seite muss zugunsten der Rechte ausfallen. Das geht klar aus der Wiener Erklärung und dem Aktionsprogramm hervor, welche besagen, und ich zitiere:
„Während die Bedeutung nationaler und regionaler Besonderheiten und verschiedene geschichtliche, kulturelle und religiöse Hintergründe berücksichtigt werden müssen, ist es die Pflicht der Staaten ungeachtet ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systeme, alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen.“
Keine persönliche Meinung, kein religiöser Glaube, egal wie tief verwurzelt oder weit verbreitet, kann je die Aberkennung der Grundrechte für einen Menschen rechtfertigen. Und genau darum geht es hier: um die Aberkennung der Menschenrechte für bestimmte Einzelpersonen – die Aberkennung ihres Rechts auf Leben, auf persönliche Sicherheit, auf ihr Recht auf Privatsphäre, auf Freiheit von willkürlicher Inhaftierung, Folterung und Diskriminierung, auf Rede- und Vereinigungsfreiheit und auf das Recht auf friedliche Versammlung.
Die Ihnen vorliegende Studie beinhaltet praktische Empfehlungen, die dazu gedacht sind, nationale Gesetze und Praktiken in Einklang mit internationalen Normen zu bringen, während gleichzeitig diskriminierende Haltungen an der Wurzel gepackt werden. Ich beschränke mich an dieser Stelle auf die Nennung dreier Handlungsvorschläge.
Eine ist, die staatlichen Reaktionen auf homo- und transphobe Gewalt zu verbessern. Wo immer solcherlei Gewalt auftritt, sollte sie von erfahrenen Gesetzesvollzugsbeamten aufgezeichnet und berichtet werden. Alle solche Vorfälle rechtfertigen gründliche Untersuchungen und die nachfolgende Strafverfolgung der Verantwortlichen.
Zweitens sollten die Staaten diskriminierende Gesetze ändern, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität als Kriminelle behandeln. Statt dessen brauchen wir neue Gesetze, die adäquaten Rechtsschutz für Menschen bieten, die dem Risiko homo- oder transphober Diskriminierung ausgesetzt sind.
Drittens sollten wir anerkennen, dass sich hinter all dieser Gewalt und Diskriminierung Vorurteile verstecken. Aus Erfahrung wissen wir, dass man Vorurteile nicht eliminieren kann, einfach indem man Gesetze ändert; man muss auch die Herzen und Gemüter der Menschen ändern.
Wie Millionen anderer Südafrikaner meiner Generation wuchs ich mit Vorurteilen auf, die mich überall umgaben. Ich weiß, dass es Zeit, Geduld und Überzeugungskraft braucht, diese Vorurteile anzugehen. Am Ende jedoch hat mich mein Leben gelehrt, dass Unwissenheit und Bigotterie der Macht der Bildung nichts entgegenzusetzen haben. Wenn die Menschen miteinander reden, werden sie mit der Zeit ihr Unwohlsein überwinden. Sie beginnen, sich auf die Tatsachen zu konzentrieren und nicht auf ihre Angst, und die Vorurteile werden nach und nach verebben. Die Staaten können diesen Vorgang durch wirksame Öffentlichkeitskampagnen beschleunigen, die gegen Homophobie und negative Stereotypen gerichtet sind.
Es ist nicht leicht, aber wir haben solches bereits vollbracht. Die Geschichte der Vereinten Nationen ist eine Geschichte des Fortschritts im Kampf gegen Diskriminierung. Es ist eine Geschichte, die noch nicht fertig geschrieben ist, und wir arbeiten weiterhin an der Erfüllung des Versprechens in unserer Allgemeinen Erklärung: eine Welt, in welcher „alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ sind.
Heute haben wir alle eine Gelegenheit, gemeinsam ein neues Kapitel zu eröffnen, welches der Beendigung von Gewalt und Diskriminierung gegen alle Menschen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität gewidmet ist. Es ist ein historischer Moment für diesen Rat und für die Vereinten Nationen.