Historisches Votum weitet EU-Asylstandards auf Transgender-Menschen aus
27. Oktober 2011
Das Europäische Parlament hat heute formell eine Reiher neuer Asylrichtlinien für die EU verabschiedet. Die bindenden Richtlinien schließen jetzt auch Geschlechtsidentität als Verfolgungsgrund mit ein, und die EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, dies zu berücksichtigen. Die Regierungen haben den Änderungen, welche endgültigen Status haben, bereits zugestimmt.
Bis jetzt sah das EU-Asylrecht vor, dass „geschlechtsbezogene Aspekte“ von nationalen Asylbehörden „berücksichtigt werden können“, wenn sie die mögliche Verfolgung spezifischer sozialer Gruppen im jeweiligen Herkunftsland untersuchen.
Die heute verabschiedete Resolution hat jenen Text ersetzt und besagt nun, dass „geschlechtsbezogene Aspekte einschließlich der geschlechtlichen Identität gebührende Berücksichtigung finden müssen“. Der Text nennt nun ganz spezifisch die geschlechtliche Identität und verpflichtet die Mitgliedsstaaten, geschlechtsbezogene Aspekte zu berücksichtigen. Zuvor konnten die EU-Staaten sich immer noch entscheiden, Aspekte in Bezug auf das Geschlecht des Asylbewerbers unberücksichtigt zu lassen.
Der Text betrifft alle EU-Mitgliedsstaaten außer Großbritannien, welches sich explizit nicht mit der EU-Asylpolitik einverstanden erklärte. Die Resolution wurde von Jean Lambert (siehe Bild), einem britischen Mitglied des EU-Parlaments bei den Grünen / der Europäischen Freien Allianz, erfolgreich formuliert und verhandelt.
Dies ist das erste Mal, dass eine verpflichtende EU-Direktive die geschlechtliche Identität mit einschließt.
Cornelis de Jong, MEP, Vizepräsident der LGBT Intergroup und verantwortlich für die Asylpolitik in der GUE/NGL-Gruppe, kommentierte: „Transgender-Menschen können in der ganzen Welt für das, was sie sind, verfolgt werden. Diese überarbeitete Direktive anerkennt die Gefahr, in der sie sich befinden, und sie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, bei Asylbewerbern die geschlechtliche Identität mit zu berücksichtigen. Ich hoffe, dass auch die Berücksichtigung der sexuellen Orientierung der Asylbewerber bei einer zukünftigen Revision verpflichtend wird.“
Sirpa Pietikäinen, MEP, Vizepräsidentin der LGBT Intergroup, fügte hinzu: „Ich bin sehr stolz, dass meine Kollegen von der Mitte-rechts-EVP-Fraktion diese Veränderung unterstützt haben, gleich welche Ansichten sie im allgemeinen über Asyl haben. Die Europäische Union fängt gerade erst an, die geschlechtliche Identität als Verfolgungsgrund anzuerkennen, aber ich hoffe, das heutige Votum wird dabei helfen, weitere Leben zu retten.“
Die bindenden Richtlinien werden angewandt, nachdem sie im Nationalrecht der EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wurden, mit Ausnahme Großbritanniens. Durch den Zugang in die EU im Jahre 2013 wird auch von Kroatien erwartet, sein Asylrecht anzupassen.
Super. Endlich mal eine sehr gute Nachricht. Noch im letzten Sommer mussten wir hier kämpfen, dass eine türkische TS nicht abgeschoben worden ist, was ihren sicheren Tod bedeutet hätte.. Damit wird der Kampf um den Aufenthaltstitel für transgenderpersonen sicher um vieles leichter werden.
ILGA-Europe hat sich nochmal eingehend dazu geäußert, das übersetze ich heute abend noch.
Und ja, diese Entwicklung war wirklich eminent wichtig und geradezu historisch, ich bin grad richtig dankbar und stolz auf all die Politiker, die sich für uns einsetzen.
Geht es Yasar jetzt eigentlich gut, Angie?
Übrigens, Angie, nur zur Sicherheit: In obigem Text sind diverse Links, die sicher ebenfalls interessant sind; leider sieht man sie nicht bei jedem Forenstyle, ich kann dir das aber gerne nochmal in deutlich erkennbarer Form per E-Mail schicken -- ist sicher besser. Im Gegensatz zum Original hab ich jeweils die deutschsprachigen Links drinne. Sag mir einfach Bescheid.
Hier noch das von ILGA-Europe, aber ehrlich gesagt widersprechen sich die beiden Erklärungen ein klein wenig, und die von der EU war besser ausformuliert... *räusper*
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PRESSEERKLÄRUNG
27. Oktober 2011
Zur sofortigen Veröffentlichung
Heute hat das Europäische Parlament eine revidierte Version der Asylrichtlinien über Minimalstandards für Qualifikation und Status von Asylbewerbern aus Drittländern oder von Staatenlosen als Empfänger internationaler Schutzmaßnahmen und über den Inhalt des gewährten Schutzes verabschiedet. Diese Richtlinien anerkennen die geschlechtliche Identität erstmals als Grund, weswegen Bewerber Asyl in der EU beantragen können. Überdies verbessern sie das Konzept der Geschlechtsangleichung, das vom europäischen Recht als Prozess und als eigenständiges Konzept bezeichnet wurde.
Das heutige Votum im Europäischen Parlament ist ein letzter Schritt hin zur Verabschiedung dieser Richtlinie und eine Validierung einer Vereinbarung zwischen dem Europarat und dem EU-Parlament in ihrem gemeinsamen Entscheidungsprozess über diese Richtlinie.
Die Richtlinie definiert, wer in der EU Asyl beantragen kann und auf welcher Grundlage. Verfolgungen aufgrund sexueller Orientierung waren bereits als einer der Gründe berücksichtigt worden, aufgrund derer ein Asylantrag in der EU möglich war. Nun werden auch Verfolgungen aufgrund der geschlechtlichen Identität gleichermaßen berücksichtigt.
Die Verabschiedung der Richtlinien war Teil einer Revision existierender EU-Asylrichtlinien, und zum ersten Mal seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon entschied das EU-Parlament gemeinsam mit dem Europarat.
ILGA-Europe und ihre Mitgliedsorganisationen waren einige der treibenden Kräfte hinter dem EU-Parlament, was die notwendigen Verbesserungen betraf. Wir konnten die EU-Mitgliedsstaaten überzeugen, die Verbesserungen aktiv und nachdrücklich zu unterstützen und schufen somit eine Koalition unterstützender Mitgliedsstaaten.
ILGA-Europe bedankt sich ausdrücklich bei Jean Lambert, Mitglied des EU-Parlaments von den britischen Grünen. Sie war Berichterstatterin über diese Richtlinien, verhandelte mit dem Europarat und war entscheidender Faktor bei der Sicherstellung, dass die geschlechtliche Identität in der verabschiedeten Richtlinie Berücksichtigung fand.
Die Verabschiedung dieser Richtlinie ist eine wichtige Entwicklung im EU-Asylrecht, da Verfolgung aufgrund der geschlechtlichen Identität nun als legitimer Asylgrund in der EU gilt und dies das erste EU-Gesetz überhaupt darstellt, welches korrekte Terminologie in Bezug auf geschlechtliche Identität gebraucht. Die Richtlinie ist für 24 EU-Mitgliedsstaaten bindend (Dänemark, Irland und Großbritannien haben die Zustimmung für die Umsetzung dieser Direktive verweigert).
Gleichzeitig bedauert ILGA-Europe, dass der Revisionsvorgang der EU-Asylrichtlinien nicht vorsah, einige weitere Elemente anzusprechen und zu verbessern, weshalb die Definition von Familienmitgliedern von Asylbewerbern und einiger Worte bezüglich der sexuellen Orientierung weiterhin unklar bleiben.
Martin K.I. Christensen, Co-Vorsitzender des Vorstands von ILGA-Europe, sagte:
„Wir heißen diese wegweisende Entwicklung aufrichtig willkommen. Dies ist das allererste Mal, dass geschlechtliche Identität in der EU-Legislatur anerkannt und ausdrücklich erwähnt wird.“
ILGA-Europe wird bei der weiteren Revision der EU-Asylrichtlinien eine aktive Rolle spielen, um sicherzustellen, dass die anderen Asylrichtlinien (Prozedur und Aufnahmebedingungen) in der gegenwärtigen Ausgabe einschließlich sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität abgesegnet werden.
Es bleibt unser Ziel, ein vollkommen sensitives gesamteuropäisches Asylsystem zu schaffen, welches die Bedürfnisse des einzelnen Asylbewerbers, der aufgrund sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität verfolgt wird, berücksichtigt. Man bedenke, dass es immer noch 76 Länder gibt, die sexuelle Handlungen zwischen einverstandenen erwachsenen Männern kriminalisieren, und fünf dieser Länder sehen hierfür sogar die Todesstrafe vor. Trans*-Menschen sehen sich in vielen Ländern sogar noch übleren Umständen ausgesetzt.
Weitere Informationen: Juris Lavrikovs, + 32 496 708 375