Der gestern verabschiedete Text "fordert die Kommission und die Weltgesundheitsorganisation dazu auf, Geschlechtsidentitätsstörungen aus der Liste der Geistes- und Verhaltensstörungen zu streichen und eine nicht pathologisierende Reklassifizierung in den Verhandlungen über die 11. Version der internationalen Klassifikation der Krankheiten zu versichern."
Die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) dient als globale Referenz für körperliche und geistige Probleme. Bis 1990 hatte die ICD auch Homosexualität als Geisteskrankheit geführt. Die Liste wird gegenwärtig überarbeitet; die nächste Version soll nach langwierigen Beratungen im Jahre 2015 finalisiert werden.
Emine Bozkurt, MEP, Mitglied der LGBT Intergroup und Urheberin des Änderungsantrags, erklärte: "Transgender-Identitäten werden von der Weltgesundheitsorganisation immer noch als Geisteskrankheit gewertet. Dies muss sich dringend ändern, spätestens mit Erscheinen der nächsten Version im Jahre 2015. Transgender-Menschen, die in einem Körper leben möchte, der ihrer Identität entspricht, haben natürlich Anspruch auf medizinische Behandlung und deren Vorteile, aber das negative Stigma, welches sie umgibt, muss aufhören."
Der Vizepräsident der LGBT Intergroup, Raül Romeva i Rueda, MEP, fuhr fort: "Wenn Transgender-Menschen für geisteskrank gehalten werden, bedeutet das, dass sie nicht für sich selbst entscheiden können und von Medizinern, ihren Arbeitgebern und Familien oft respektlos behandelt werden. Dieser Aufruf schickt eine klare Botschaft an die Kommission und die Weltgesundheitsorganisation: Die Pathologisierung von Geschlechtsidentität muss aufhören, ebenso wie die Pathologisierung von Homosexualität im Jahre 1990 ihr Ende fand."
Die Europäische Kommission ist Teil der laufenden Verhandlungen für die nächste Version der internationalen Klassifikation der Krankheiten. Mitglieder des Europäischen Parlaments erwarten, dass die Kommission dem Aufruf des Parlaments folgt und querbeet über die politischen Parteien übernimmt.
ENDE
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Kontakt: Bruno Selun, Secretary of the European Parliament's Intergroup on LGBT Rights, bruno.selun@europarl.europa.eu, +32 228 37 759
Hier noch etwas thematisch Verwandtes: Eine Presseerklärung von Transgender Europe, die aufgrund der jüngsten Entwicklungen neu veröffentlicht wurde.
PRESSEERKLÄRUNG
Europäisches Parlament bittet die Weltgesundheitsorganisation, Transgender-Identitäten zu entpathologisieren
28. Juli 2011
Europa und insbesondere die Europäische Union stellen sich gerne als Menschenrechtspioniere dar. Heute anerkennt das Europäische Parlament, dass die Rechte von Transgendern, Schwulen, Lesben und Bisexuellen innerhalb der EU noch immer verletzt werden. Überdies fordert das Parlament die EU-Kommission und die Weltgesundheitsorganisation dazu auf, Trans-Identitäten zu entpathologisieren. Unter Berücksichtigung der historischen UN-Resolution "Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität" thematisieren die Parlamentarier eine Reihe von Problemfeldern gegenüber der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten.
TGEU heißt die Resolution des Europäischen Parlaments sehr willkommen.
Die Resolution bekräftigt die Übernahme der UNHRC-Resolution A/HRC/17/19 und leistet der von der OHCHR bislang vollbrachten Arbeit Beistand. Zudem unterstützt sie konkret die Organisation eines Gremiums bei der 19. Sitzung der UNHCR der Vereinten Nationen, um einen offenen Dialog zwischen den Staaten über verwandte Menschenrechtsangelegenheiten herzustellen.
Das Europäische Parlament fordert die Kommission und die Weltgesundheitsorganisation -- eine Körperschaft der Vereinten Nationen -- dazu auf, Geschlechtsidentitätsstörungen von der Liste der Geistes- und Verhaltensstörungen zu streichen, während sie gleichzeitig eine nicht pathologisierende Neucodierung in der 11. Version der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) zusichert.
Weiters bedauert das Europäische Parlament, dass u. a. das "Recht auf Zugang zu präventiver Gesundheitsversorgung und ein Nutzen medizinischer Behandlung" nicht in allen EU-Staaten gegeben ist. Dies bezieht sich insbesondere auf den unwürdigen Kampf, den viele Transmenschen beginnen müssen, wenn sie sich gesetzlich vorgeschriebenen Genitaloperationen und erzwungener Sterilisierung, wie in der Gesetzgebung bezüglich der Anerkennung des Geschöechts in 29 europäischen Staaten festgehalten (siehe Fußnote). Der Zugang zu transgenderbezogener Gesundheitsversorgung und/oder das Erhalten von finanziellen Hilfen ist in vielen EU-Staaten problematisch.
Die Co-Vorsitzende Julia Ehrt kommentiert hierzu: "Gesundheit ist ein wichtiges Anliegen für viele Transmenschen in Europa. Anzuerkennen, dass alle Menschen, einschließlich der Transmenschen, ein Recht auf präventive und assistierte Gesundheitsversorgung haben, ist ein wichtiger Schlüsselpunkt. Die Kommission muss jetzt handeln!"
"Diese Resolution ist ausschlaggebend darin, zu sagen, dass die EU im weltweiten Kampf für eine Entpathologisierung von Geschlechtsidentitäten für ein besseres Wohlergehen von Transmenschen eine Rolle zu spielen hat. Wir erwarten, dass die Europäische Kommission proaktiv auf eine Entpathologisierung von Transidentitäten hinarbeitet. Die gegenwärtige ICD-Revision ist eine historische Chance, und die Kommission darf das nicht ignorieren, sondern muss ihren Beitrag dazu leisten", fügt Richard Köhler, Co-Vorsitzender TGEU, hinzu.
Die UN-Resolution A/HRC/17/19 war die erste ihrer Art, die Menschenrechtsinteressen nur auf Basis der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität thematisierte. Im Rahmen einer koordinierten Bemühung von LGBT-Gruppen weltweit hat die TGEU in einem monatelangen Diskussionprozess hinter den Kulissen ihren Beitrag dazu geleistet, die Resolution so trans-inklusiv wie möglich zu gestalten.
Fußnote: "Discrimination on the grounds of sexual orientation and gender identity in Europe" (2011) vom EU-Kommissar für Menschenrechte, Thomas Hammarberg
Übersetzung: Sandra-Isabell Trautner (mit Erlaubnis von Richard Köhler, Co-Vorsitzender TGEU), sandra.paradise@googlemail.com
Hegt ihr da nicht ein wenig die Sorge, daß bei einer Entphatologisierung,also wenn TS nicht mehr als Identitätsstörung = Krankheitsleiden eingestuft wird,so positiv das auf den ersten Blick ist,daß dann die Krankenkassen ein gutes Argument haben zb. die Gaop nicht mehr zu bezahlen. Schwule gelten als gesund und haben auch keinen Anspruch auf extra Therapien.
Am Rande des Abgrundes ist die Aussicht doch recht schön! Wollen tät`ich schon mögen,aber dürfen trau ich mich halt nicht! (Karl Valentin) Das Gegenteil von Nachdenken,ist positives Denken. (Alfred Dorfer,Kabarettist) Das einzig Unwandelbare ist der Wandel. (Laotse)
Schwule haben keinen Leidensdruck, der sie fast umbringt. Viele Transidente dagegen schon. Homosexualität ist eine sexuelle Orientierung, Transidentität ist eine Frage der sexuellen Identität. Das lässt sich in Krankenkassenfragen kaum vergleichen. Ich krieg die Argumentation grad nicht mehr zusammen (vielleicht kann wer helfen), aber die Frage, ob die KK dann trotz Entpathologisierung zahlt, ist eigtl. geklärt und wurde mit "Ja" beantwortet. Aber wer weiß, vielleicht warten da noch Fallstricke auf uns...... ... .. . . .
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Hallo Ella, könnte sein, aber Entphathologisierung könnte auch heißen, dass die Transsexualität an sich nicht mehr als Krankheit gewertet wird, sondern endlich akzeptiert wird, dass das Geschlecht "zwischen den Ohren" sitzt. Dann wäre eine Frau mit Penis per Definition ein Mensch mit einer Missbildung und hätte Anspruch auf Behandlung. Wird allerdings analog wie im Falle der Homosexualität vorgegangen und TS als sexuelle Orientierung eingestuft, dann "Gute Nacht"....
Die Transsexualität sollte auf jeden Fall weiter als Krankheit mit dringender Behandlungsnotwendigkeit angesehen werde, jedoch sollte es bei der Definition eher in Richtung 'körperlicher Fehlbildung' gehen und niemand sollte sich deshalb als 'psychisch gestörter' Mann oder 'psychisch gestörte' Frau einordnen lassen müssen. Die Transsexualität entsteht meines Wissens schon im Mutterleib, bei der Entwicklung des Embryo zum Kind. Es wäre doch - wie im Film "Transamerica" so schön gesagt wird - ungewöhnlich, daß die Chirurgie eine Geisteskrankheit heilen kann. TS muß ganz einfach von der Schublade der psychischen in die Abteilung der physischen Krankheiten verschoben werden und eine Psychologische Beratung sollte vorrangig dazu dienen, mit dem sich selbst als transsexuell empfindenden Menschen zu erörtern, welche Veränderungen auf ihn zukommen und ob dieser sich der Kosequenzen in voller Tragweite bewußt ist. Eine geschulte Hilfsperson an seiner Seite zu wissen, wenn der Geist vom körperlichen Wandel streckenweise etwas überfordert sein könnte, wäre wesentlich hilfreicher, als das Damoklesschwert über sich schweben zu haben; "Oh je... wenn ich den Psychiater jetzt nicht davon überzeugen kann, daß ich mich wirklich dem Gegengeschlecht zugehörig fühle, hat mein Leben keinen Sinn mehr..."
Auf der anderen Seite soll es aber durchaus auch Menschen geben, die sich spezielle Vorteile von solcherlei Angleichung erhoffen, wie z.B. der Mensch - Sandra hatte vor Kurzem mal einen Internetlink gepostet - der (sinngemäß) sagte: "Ich habe mich dazu entschieden, transsexuell zu werden, weil ich auf lange Sicht im Erotikgewerbe Fuß fassen will (und als Mann nur in der Schwulenszene Geld verdienen könnte, was ich nicht will)..." Solche betreiben natürlich Mißbrauch und müßten prinzipiell irgendwie vor sich selbst geschützt werden. Es ist also nicht immer ganz so einfach...
Ja Christina und Nicole,ds wäre wohl der einzig akzeptable Weg.
Am Rande des Abgrundes ist die Aussicht doch recht schön! Wollen tät`ich schon mögen,aber dürfen trau ich mich halt nicht! (Karl Valentin) Das Gegenteil von Nachdenken,ist positives Denken. (Alfred Dorfer,Kabarettist) Das einzig Unwandelbare ist der Wandel. (Laotse)
FÜR: Menschenrechte, eine gelebte demokratische Zivilgesellschaft, die Minderheiten schützt ERGO: Umfassende Bildung für alle, effektive Regeln in Alltag und Netz, eine gut ausgestattete Polizei/Justiz