Als ich mein Facebook-Profil feminisiert hatte, meldete sich ein Ex-Kollege bei mir. Er wollte eine Reportage über mich schreiben. Ich sagte zu.
Nun ist der Artikel bei "Christ und Welt" erschienen. Das ist eine Beilage der "Zeit", die man extra abonnieren muss, und der letzte Rest des untergegangenen "Rheinischen Merkur". Der Text ist auch eine Abrechnung von uns beiden mit den Gespenstern der Vergangenheit. Exemplarisch seien hier die Namen Christa Meves und Gabriele Kuby genannt.
Und der Text erzählt eine Annäherung zwischen dem Ex-Kollegen und mir. Ich fand ihn früher arrogant, er wusste nichts über mich, weil ich nichts preisgab. Das hat sich durch unsere Gespräche geändert.
ich finde den artikel sehr schön, weil der autor seine eigenen kategorien hinterfragt. und die eckpfeiler seines weltbilds als solche wahrnimmt und sie als relativ zu begreifen lernt. und sich aufgrunddessen, dass er dich kennt, offen auf die thematik einlässt. und dass er einerseits über seine empfindungen schreibt, aber sich auch zu vergegenwärtigen versucht, wie du die dinge erlebst. ich finde es erfreulich reflektiert und flexibel und undogmatisch ... für jemanden, dessen perspektive wohl zentral von seiner religion mitgeprägt ist. und ich finde es sehr erfrischend, wenn er das dem dogmatismus der hardliner gegenüberstellt.
es wäre natürlich interessant zu erfahren, wie die leser der 'christ und welt' darüber denken.
"Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, das immer dann die Ruhe verliert, wenn von ihm verlangt wird, dass es nach Vernunftgesetzen handeln soll." - Oscar Wilde “Ohne eine Abweichung von der Norm ist kein Fortschritt möglich.”- Frank Zappa "Samstag ist Waschtag." - Sheldon L. Cooper "I had a flashback of something that never existed" - Sara Digitala "Fuck Size Zero" - Carolin Kebekus
Ich stimme Steffi zu und finde auch, daß der Verfasser des Artikels sehr schön tiefgründig seine eigene Psyche durchleuchtet und all das, was einige Zeitgenossen gegen unsereins an Scheinargumenten und Vorurteilen ansammeln, zerschmelzen läßt. Eben weil er dich (und deinen 'Ex-Mann' ebenso) kennt und direkt aus erster Hand erfährt, daß du an und für sich eine ganz normale Frau bist, die sich ganz klar von Klischee-'Paradiesvögeln' wie die vielzitierte Olivia Jones unterscheidet, einfach nur Frau sein dürfen möchte. Ein mit Herz geschriebener Artikel und das sogar in einer christlichen Plattform und mit einer gewissen Portion Ironie der eigenen Gruppierung gegenüber. Mutig vom Autor, aber ohne Mut erreicht man eben oft nur weniger.
Hola Vivian, ich kenne dich bisher ja kaum, fast gar nicht, überhaupt nicht....
Nun, ich betrachte diesen artikel über dich als einen versuch einer annäherung, an dich als person, als ehemalige kollegin... als einen versuch, christlich-nächstenliebendes verständnis für dich hervorzubringen, von einer sehr persönlichen position heraus zu "generieren"....
... halt ein versuch, wenn auch wohl ein gutgemeinter....
Meine frage: hast du diesen artikel autorisiert?
Sollte mal jemand von meinen wissenschaftlichen (ex-) kollegen so etwas ähnliches versuchen zu veröffentlichen, in so einem duktus, würde ich sofort ein contra gebieten; und auch nicht nur deshalb, weshalb ich auch noch wegen meiner sexuellen orientierung und sonstigen vorlieben von dritten öffentlich geoutet werden würde.... die ginge nun wirklich niemanden etwas an!
Ich mag jetzt auf viele weitere details gar nicht eingehen wollen...
Aber der diskurs zu Rauchfleisch (der nach diesen versuchen des zitierens offenbar ja fast nix zur ätiologie der transsexualität verstanden haben sollte), wie auch dem zu Ratzinger, wie auch zum jetzigen oberhaupt der katholische kirche (endlich mal ein lichtblick, obgleich (semi-offiziell) noch lichtjahre von einer umsetzung zum realen leben entfernt, das er ja verdammt gut kennt): OUT OF PLACE! Bloß nix zuuu konkret kritisieren, vielleicht mal vorsichtig defensiv hinterfragen!
Quintessenz: auf so eine art wünschte ich mir keinen öffentlichen umgang mit meiner person!
By the way: Nun, den gab es bisher ja auch nicht (wenngleich ggfs. hinter meinem rücken bei manchen...): nach meinem (fast schon weltweiten) CO in 2012 wurde ich als associated editor, bzw. scientific editor, oder section editor bei durchaus renomminierten wissenschaftlichen fachzeitschriften (grob im rahmen meines arbeitsgebiets) ernannt (obgleich ich mit den chief editors, bzw. herausgebern (publisher) dieser bisher nie persönlich was zu tun hatte; gar nicht kannte: mein öffentlicher gender change ende 2011, anfang 2012: offenbar ja völlig irrelevant.
Fazit:
Dir, liebe Vivian, mag ich (nur) alles gute, liebe, und besonders auch produktive, auf deinem weg zur anerkennung deines selbst-seins, und deiner akzeptanz, und (re-) integration aufgrund deiner kompetenzen in was sonst noch alles für dich wichtige wünschen!!!
ja natürlich, regina, hast du vollkommen recht damit, dass wir aufgrund unserer kompetenzen anerkannt werden sollten. und nicht aufgrund dieser immer wieder neu thematisierten biographien, die uns angeblich so anders machen.
wenn transsexualität thematisiert wird, geschieht es häufig über dieses biographische. weil das anderen menschen bewusst macht, dass da etwas ist, was sie nie für sich selbst hinterfragen würden. das kann halt sehr wirkungsvoll sein, um reflektionen auszulösen. ich habe das auch mitgemacht, damals, als protagonistin bei dieser 37°-reportage. ich würde es heute nicht mehr machen, weil ich auch nicht über meine transsexualität, sondern über das, was ich gegenüber anderen menschen zu bieten und zu sagen hab, wahrgenommen werden will.
wenn transsexualität über das biographische sichtbar gemacht wird, finde ich es wichtig, dass es respektvoll, und nicht übergriffig geschieht. und ich finde schon, dass das im vorliegenden artikel geschehen ist.
"Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, das immer dann die Ruhe verliert, wenn von ihm verlangt wird, dass es nach Vernunftgesetzen handeln soll." - Oscar Wilde “Ohne eine Abweichung von der Norm ist kein Fortschritt möglich.”- Frank Zappa "Samstag ist Waschtag." - Sheldon L. Cooper "I had a flashback of something that never existed" - Sara Digitala "Fuck Size Zero" - Carolin Kebekus
du hast recht, dieser Text ist der Versuch einer Annäherung, und zwar an mich, an das Thema, an das Phänomen. Alle diese drei Dinge waren ihm bislang fremd geblieben, nun hat er eine gewisse Ahnung davon, auch von meiner Person. Und das hat er in Worte zu fassen versucht. Wie ich und manche anderen finden, gelungen, Völlig daneben, wie du meinst.
Alles, wass ich im letzten Jahr dazu gelesen habe, war von einer merkwürdigen Distanz geprägt, die Objekte der Erforschung (also wir) wirkten auf mich immer wie aufgespießte Insekten. Oder die Veröffentlichungen waren tatsächlich übergriffig, aggressiv oder mitleidsvoll. Das wollte ich nicht.
Ich bin kein junger, naiver Hüpfer. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Natürlich habe ich den Text gekannt, Zeile für Zeile, und war damit einverstanden. Dass du als international renommierte Wissenschaftlerin dich nicht so entblößen würdest, wundert mich nicht. Für mich war es sozusagen der letzte Schritt meiner sozialen Dekonstruktion. Wenn du schreibst, dass die Transition in deinem Umfeld kein Thema ist, dann ist das wohl so. In meinem Umfeld ist sie ein Thema, und ich habe vieles über Bord geworfen, was mir in meinem Leben bisher nicht gefiel. Mein Umfeld habe ich dabei behalten, sogar die beruflichen Zusammenhänge scheinen jetzt weiter zu funktionieren. Auch für dieses Umfeld ist der Text geschrieben.
Mein Kollege und ich, wir haben uns gegenseitig instrumentalisiert. Wir rechnen beide mit der Vergangenheit des restriktiveren "Rheinischen Merkur" ab, er möchte die Diskussion im kichlichen Bereich befeuern und wir werden das vielleicht gemeinsam weitertreiben. Ich befreie mich weiter von den Zwängen der Vergangenheit, auch indem ich offen und schonungslos über mich erzähle.
Ob mich das als öffentliche Person diskreditiert und mich niemand mehr ernst nimmt, wird sich zeigen. Ich habe aber auch keinen so guten Ruf zu verlieren. Dass ich mehr Dimensionen besitze, als in diesem Text deutlich werden, würden wahrscheinlich viele, die mich kennen, bestätigen.
Natürlich liegt dir auch die Deutungshoheit am Herzen. Dass der Autor Udo Rauchfleisch befragt hat, war seine Entscheidung, gegen die ich nichts einzuwenden hatte. Er hat auch ein Interview mit der NRW-Gesundheitsministerin geführt, das unter dem Text steht. Auch da möchte ich nachlegen, denn wir kennen uns. Also mal sehen, was sich noch ergibt.
Zitat von Vivian Mein Kollege und ich, wir haben uns gegenseitig instrumentalisiert. Wir rechnen beide mit der Vergangenheit des restriktiveren "Rheinischen Merkur" ab, er möchte die Diskussion im kichlichen Bereich befeuern und wir werden das vielleicht gemeinsam weitertreiben.
ich hatte in den letzten Tagen viel zu tun. So freute ich mich zunächst nur über die Existenz des Artikels. Aufgrund der Zeitungen und nachdem was ich bisher von Dir las, war mir die Qualität klar. Gerade deshalb wollte ich mir aber Zeit nehmen & bedankte ich mich zunächst nur hier und im CD-Forum.
Nach der Lektüre bin ich nun sehr beeindruckt, Tiefgang, Niveau und weil es eine etwas unübliche, besondere Auseinandersetzung mit der Thematik ist. Zitat "Ob mich das als öffentliche Person diskreditiert und mich niemand mehr ernst nimmt, wird sich zeigen." das halte ich für unwahrscheinlich, denn der Beitrag ist anspruchsvoll. Simpler gestrickte Gemüter haben es da schwer, Angriffspunkte zu finden.
Mir gefiel der Artikel ausgezeichnet. Mein Vergnügen war fast literarisch...
Liebe Grüße, ich bin froh, dass Du bei uns bist
Andrea
FÜR: Menschenrechte, eine gelebte demokratische Zivilgesellschaft, die Minderheiten schützt ERGO: Umfassende Bildung für alle, effektive Regeln in Alltag und Netz, eine gut ausgestattete Polizei/Justiz
ob ich da irgendwie international wissenschaftlich oder sonstwie bekannt bin, ist gar nicht relevant: ein outing durch dritte im öffentlichen bereich deiner, oder meiner, oder sonstiger personen hinsichtlich sexueller präferenzen und/oder vorlieben etc. hat generell nicht stattzufinden; das ist auch im presse-kodex tabu. Solltest du eigentlich wissen. Deshalb hat es mich sehr gewundert, dass du den artikel als ganzen autorisiert hast - was ich aus obigem heraus nicht getan hätte.
By the way: von obigem abgesehen, emfand ich den artikel keinesfalls als "daben"; halt sensitiv, mit sich selbst abrechnend, von seiner warte aus. Damit wir uns nicht gänzlich falsch verstehen!!
Sicher, in meinem rein akademischen internationalen umfeld war meine transition offenbar "kein thema". Vielleicht ja sogar produktiv, weil ich damit in so einigen köpfen mal wieder produktiv präsent war, wenn es um entscheidungen ging. Aber vor ort - dort, wo ich es halt selbst ganz direkt merken kann - sieht die sache schon ziemlich anders aus: eine deutliche unsicherheit, oder verunsicherung, und wohl auch eine gewisse transphobie, sind da deutlich erlebbar. Und das nicht nur beim technischen personal, sondern auch beim akademischen (wenn auch weniger): irgend wie so eine political correctnis im direkten umgang mit mir ist ja intern da; aber viele wollen mit mir offensichtlich gerade ausserhalb, vor deren persönlichen, für sie wichtigen dritten, auch nicht in verbindung gebracht werden ....